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„Es ist eine Superkraft": Vera Herzmann erklärt, wie wir in der Arbeitswelt von Hochsensibilität profitieren können.

Im Rahmen unserer Blogserie „Karriere mit Neurodivergenz“ finden wir im Gespräch mit unseren neurodiversen Kolleg*innen heraus, was Neurodivergenz im Berufsleben bedeutet. Dieses Mal haben wir uns mit Vera Herzmann, Senior Consulting Manager bei Zühlke, unterhalten. Sie erzählt uns von ihren Erfahrungen als hochsensible Person in der Arbeitswelt.

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Infos in Kurzform

  • Informiere Dich über die Herausforderungen und Vorteile hochsensibler Personen im Arbeitskontext.
  • Erfahre, welche Bewältigungsstrategien Vera sich angeeignet hat und warum Hochsensibilität zu ihren größten Stärken als Consultant gehört.
  • Finde heraus, wie wir neurodiverse Mitarbeitende bei Zühlke unterstützen und was wir darüber hinaus tun können.

Jeder Mensch hat ein gewisses Maß an Sensibilität. Aber in ihrem Buch „Sensitive: The Hidden Power of the Highly Sensitive Person in a Loud, Fast, Too-Much World“ schreibt Jenn Granneman über die Kraft der erhöhten physischen und emotionalen Sensibilität, für die fast jeder dritte Mensch eine genetische Veranlagung hat.

„Diese Personen nehmen kleinste Details wahr und stellen Zusammenhänge her, die anderen entgehen. Sie sind oft großherzig, kreativ und tiefgründig. Doch gesellschaftliche Konventionen führen häufig dazu, dass sie diese besondere Sensibilität unterdrücken, die ihre Persönlichkeit ausmacht. Das sind die hochsensiblen Menschen der Welt.“

Vera Herzmann, Organisational Transformation Consultant bei Zühlke, gehört zu dieser Gruppe. 

A smiling woman portrait on a abstract blue background
„ Für mich bedeutet die Hochsensibilität, dass ich Emotionen in meiner Umgebung besonders stark wahrnehme, dass sie mich intensiv beschäftigen und dass ich empathisch und sehr kreativ bin. Das heißt aber auch, dass mich Reize überwältigen können, die bei anderen vielleicht noch nicht einmal ins Bewusstsein vordringen. “
Vera Herzmann
Senior Consulting Manager & People Lead

Deshalb bringt Hochsensibilität am Arbeitsplatz gewisse Herausforderungen mit sich, ist aber laut Vera zugleich ihre größte Stärke. Hier berichtet sie einerseits vom Arbeitsumfeld bei Zühlke, das ihren Bedürfnissen Rechnung trägt, und andererseits was noch getan werden könnte, um Diversität im Arbeitskontext zu fördern. 

Was ist Hochsensibilität?

Hochsensibilität, Neurosensitivität oder „hohe sensorische Verarbeitungssensitivität“, so die wissenschaftliche Bezeichnung, ist ein Persönlichkeitsmerkmal von etwa 15–30 % der Bevölkerung. Durch die höhere Aktivität der Spiegelneuronen in ihrem Gehirn registrieren hochsensible Menschen mehr Informationen aus ihrer Umgebung als neurotypische Menschen. Diese höhere Verarbeitungsintensität verleiht ihnen oft eine besonders große Empathiefähigkeit. 

So hat Vera ein Gespür für subtile Tendenzen oder Veränderungen von Menschen und ihrem Verhalten. „Ich höre sofort, wenn es jemandem nicht gut geht – nur am Ton der Stimme“, sagt sie. „Einige Menschen sind sensibler gegenüber Lärm, andere gegenüber Oberflächen/Materialien, oder eben gegenüber Emotionen. Ich habe das Gefühl, ich kann ganze soziale Gefüge lesen.” 

Vera berichtet, dass sie die kleinsten Anzeichen dafür wahrnimmt, dass jemand einen schlechten Tag hatte oder Veränderungen im Umfeld erlebt. Das mag zwar wie Spidermans Intuition erscheinen, hat aber auch Nachteile:

Nach wie vor haftet der Hochsensibilität ein Stigma an. Sie wird oft mit Schwäche in Verbindung gebracht oder mit einer übertriebenen Emotionalität. Auch gilt sie als typisch weibliche Eigenschaft (obwohl gleich viele Männer und Frauen hochsensibel sind).

Trotz der Herausforderungen betrachtet Vera Hochsensibilität unter dem Strich als Vorteil. 

A smiling woman portrait on a abstract blue background
„ Wenn mehr sensible Menschen in Führungspositionen wären, wäre die Arbeitswelt eine bessere: Hochsensible können durch ihre Intuition Lösungen finden, auf die andere nicht kommen. Sie durchschauen Beziehungsgeflechte, nehmen feinste Schwingungen war und können das Umfeld mit großer Präzision erfassen. “
Vera Herzmann
Senior Consulting Manager & People Lead

Führungskräfte, die mit ganz unterschiedlichen Menschen, Ansichten und Persönlichkeiten zurechtkommen und es auch noch schaffen, diesen diversen Personenkreis zu motivieren, sind auf dem Arbeitsmarkt heiß begehrt. Doch wie können Arbeitgeber das richtige Arbeitsumfeld für talentierte Führungskräfte schaffen?

Hochsensibilität im Beruf: die Herausforderungen

Vor etwa fünf Jahren wurde Vera klar, dass viele Menschen gar nicht nachvollziehen können, was für sie die ganz normale Wahrnehmung ist. Auch wird oft fälschlicherweise angenommen, dass hochsensible Menschen immer introvertiert sind. Dabei sind 30% aller Hochsensiblen extrovertiert, so wie Vera.

Allerdings bemerkte sie, dass sie nach Phasen intensiver sozialer Interaktion öfter eine Auszeit oder längere Pausen brauchte. Meetings beschäftigten sie im Nachgang noch lange und sie stellte fest, dass sie mit ihrer Energie bewusst haushalten musste.

„Das ist natürlich für alle wichtig“, sagt sie, „aber ganz besonders für Menschen mit anderen neurologischen Voraussetzungen.“

In ihrer Rolle als Consultant fühlte sie sich manchmal missverstanden, weil sie schnell auf den Elefanten im Raum zu sprechen kam oder zwischen den Zeilen lesen konnte.

A smiling woman portrait on a abstract blue background
„ Man kommt dazu und erkennt sofort, worüber alle eben nicht sprechen. Das ist anderen manchmal unangenehm, und ich hatte anfangs Schuldgefühle. Aber dann habe ich immer mehr über meine Wahrnehmungsfähigkeiten gelernt und verstanden, wie ich funktioniere. “
Vera Herzmann
Senior Consulting Manager & People Lead

Inzwischen hat sich Vera Strategien dafür angeeignet, wie sie ihre Sensibilität im Beruf effektiv einsetzen kann. Außerdem ist es für sie hilfreich, in einem Umfeld wie bei Zühlke zu arbeiten, das Selbstbestimmtheit und Flexibilität unterstützt.

Von Atemübungen bis zur Abgrenzung in bestimmten sozialen Kontexten – Vera hat für sich den richtigen Weg gefunden, mit ihrer Hochsensibilität umzugehen und sie als ihre Stärke zu nutzen. 

Wie können wir hochsensible Menschen am Arbeitsplatz fördern?

Vera hat eine sehr engagierte und positive Einstellung zu Neurosensitivität. (Sie hat sogar ihren eigenen Podcast zum Thema!) Nicht zuletzt verdanken wir ihren offenen Umgang mit dem Thema dem Umstand, dass sie sich an ihrem Arbeitsplatz frei entfalten kann.

Wie unterstützt Zühlke neurodivergente Persönlichkeiten? 

Vera zufolge ist es schon ein wichtiger Schritt, wenn Menschen ein sicherer Raum zur Kommunikation über das Thema Neurodiversität geboten wird. Dazu gehören zum Beispiel entsprechende Employee Resource Groups und Veranstaltungen. Außerdem ermutigt Zühlke seine Mitarbeitenden in ihrer Freizeit an eigenen Projekten zu arbeiten, wie Vera mit ihrem Podcast.

„Er stößt auf sehr großes Interesse“, berichtet sie. „Ich bin auch stolz, weil Zühlke auf diesem Gebiet Vorreiter ist. Wir sind ein globaler Transformationspartner – Technologie und Innovation sind unsere DNA – und setzen uns mit diesem hoch relevanten Thema auseinander.“

Ganz wichtig ist Flexibilität am Arbeitsplatz – für Menschen, die sich als neurodivergent wahrnehmen, aber natürlich auch für alle anderen. „Flexibilität ist ohnehin Teil unserer Unternehmenskultur“, erklärt Vera. „Sie ist von vornherein auf Inklusion ausgerichtet. Deshalb musst Du als hochsensible Person auch keine ‚Extrawürste‘ verlangen.”

Neben Einzelzimmer-Büros, in dem Du in einer reizarmen Umgebung in Ruhe nachdenken kannst, erleichtern es Dir flexible Arbeitszeiten, diese nach Deinen Bedürfnissen anzupassen.

Wie Führungskräfte Hochsensibilität nutzen können

Indem wir offen darüber sprechen, was uns unterscheidet, haben wir schon einen guten Anfang gemacht. Aber bis sich alle Menschen akzeptiert und selbstbestimmt fühlen, egal wie die Informationsverarbeitung in ihrem Gehirn funktioniert, ist es noch ein weiter Weg.

„Für Unternehmen ist es ein enormer Vorteil, wenn man offen mit der Neurodiversität der Belegschaft umgeht“, meint Vera. Sie hat festgestellt, dass Menschen mit besonderen Persönlichkeitsmerkmalen eine andere Perspektive und neue Problemlösungsfähigkeiten für Kundenprojekte mitbringen. Das ist eine große Stärke, die vermutlich noch nicht ausreichend genutzt wird.

Bis dahin liegt allerdings noch viel Arbeit vor uns, und die Ermutigung zum offenen Umgang mit Neurodiversität ist nur ein Anfang. 

„Dass Hochsensible sich öffnen ist nur das eine“, betont Vera, „das andere ist, wie man ihnen begegnet. Das Bewusstsein für Neurodiversität ist schließlich keine Einbahnstraße.“

Die Aufklärung über das Thema ist sicher nicht einfach, aber Gespräche wie dieses für den Blogbeitrag sind ein guter Start.

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