8 Minuten Lesezeit Mit Insights von David Elliman Global Chief of Software Engineering david.elliman@zuhlke.com Am Montag, 28. April 2025, hat ein noch nie dagewesener Stromausfall die iberische Halbinsel in Dunkelheit versetzt, von der fast 60 Millionen Menschen in Spanien und Portugal betroffen waren. Was diesen Stromausfall besonders alarmierend macht, ist nicht nur sein geografisches Ausmaß, sondern auch die außergewöhnliche Geschwindigkeit, mit der er eintrat. In Spanien fielen innerhalb von nur fünf Sekunden etwa 15 Gigawatt aus, was 60 % des nationalen Strombedarfs entspricht. Während die Netzbetreiber und die Notversorger sich bemühten, zu reagieren, wurde die Vernetzung der modernen Gesellschaft deutlich sichtbar. Die Verkehrsnetze kamen zum Stillstand und über 35.000 Zugreisende saßen in Spanien fest. Die Kommunikationsnetze brachen zusammen, als der Internetverkehr in Portugal um etwa 90 % und in Spanien um 80 % einbrach. Die Finanzsysteme froren ein, und Geldautomaten und elektronische Zahlungssysteme waren nicht mehr funktionsfähig. Kritische Infrastrukturen, von Verkehrssignalen bis hin zu Wasserpumpen, fielen gleichzeitig aus. Für Energieinfrastrukturexperten ist der Stromausfall auf der iberischen Halbinsel im Jahr 2025 mehr als nur ein weiterer Stromausfall - er ist ein Zeichen für die Anfälligkeit zunehmend komplexer, digital gesteuerter Energiesysteme, die unter dem doppelten Druck von Dekarbonisierung und zunehmender Elektrifizierung stehen. Anatomie des Blackouts auf der iberischen Halbinsel Während die Untersuchungen noch andauern, beschreiben erste Berichte eine Netzinstabilität, die durch „starke Schwankungen“ im Stromnetz gekennzeichnet war. Ein Ausfall oder eine Störung in der Hochspannungsverbindung zwischen Spanien und Frankreich gilt derzeit als auslösender Faktor. Er führte dazu, dass sich das iberische Netz vom größeren europäischen System abkoppelte und anschließend intern zusammenbrach. Allerdings: Die Gesamtzusammenhänge werden noch geprüft. Der Stromausfall ereignete sich in einem System mit einem hohen Anteil erneuerbarer Energien - Spanien hatte vor kurzem den Meilenstein erreicht, kurzzeitig 100 % seines Strombedarfs mit erneuerbaren Energien zu decken. Expertenanalysen haben jedoch bisher die Menge oder das Vorhandensein erneuerbarer Energien als unmittelbare Ursache für dieses außergewöhnliche Ereignis weitgehend ausgeschlossen. Es scheint, dass vor dem Zusammenbruch ausreichend konventionelle Stromerzeugung im System vorhanden war.Unabhängig davon unterstreicht der Vorfall die entscheidende Bedeutung eines robusten Netzstabilitätsmanagements in Systemen, die sich in der Energiewende befinden. Er zeigt, dass sich die physische Infrastruktur und die digitalen Systeme gemeinsam weiterentwickeln müssen, um widerstandsfähige, flexible Stromnetze zu schaffen - ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zur Zukunft der Energieversorgung. Entdecken Sie das Energiesystem der Zukunft Die Dimension der digitalen Verwundbarkeit Der Vorfall wirft einen Schatten auf die zunehmende Digitalisierung der Energieinfrastruktur und ihre inhärenten Schwachstellen. Die genaue Ursache des Stromausfalls muss noch ermittelt werden, aber er erinnert deutlich daran, dass die digitale Widerstandsfähigkeit verbessert werden muss, um Systeminstabilitäten zu verhindern, zu erkennen und zu entschärfen, bevor sie eskalieren.Moderne Stromnetze stützen sich auf komplexe digitale Kontrollsysteme, Echtzeitüberwachung und automatisierte Schutzsysteme. Sie alle sind potenzielle Mittel zur Steuerung eines Energiesystems, gleichzeitig stellen sie aber auch Fehlerquellen dar, wenn sie nicht angemessen konzipiert, gesichert und gewartet werden.Der Wiederherstellungsprozess, der eine sorgfältige Synchronisierung der Erzeugungsquellen und eine allmähliche Wiederzuschaltung der Lasten erfordert, verdeutlicht die ausgeklügelte digitale Steuerung, die für den Betrieb der heutigen Stromsysteme erforderlich ist. Insbesondere, weil heutige Systeme zur Gewährleistung der Netzstabilität in hohem Maße auf Umrichter anstelle herkömmlicher Turbinen zurückgreifen. Wirtschaftliche Auswirkungen einer digital abhängigen Gesellschaft Die wirtschaftlichen Auswirkungen des Stromausfalls sind beträchtlich, vorläufige Schätzungen gehen von Kosten in Höhe von 2 bis 3 Milliarden Euro für die iberische Wirtschaft aus. Größere Störungen traten in der Automobil- und Ölindustrie, dem Transportwesen, dem Einzelhandel und der Tourismusbranche auf. Einige Analysten rechnen sogar mit einem möglichen Rückgang des spanischen BIP-Wachstums im Jahr 2025 um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte.Diese Anfälligkeit der Wirtschaft wird durch die zunehmende Digitalisierung weiter verstärkt. Fertigungsanlagen, die von digitalen Steuerungssystemen abhängig sind, Dienstleistungssektoren, die auf elektronische Transaktionen angewiesen sind, und Logistiknetzwerke, die auf Echtzeitdaten basieren – sie alle kamen unmittelbar zum Stillstand. Der rasche Übergang zu digitalen Geschäftsmodellen hat zu einer noch nie dagewesenen Effizienz geführt und neue Schwachstellen geschaffen, wenn die zugrunde liegende Energie- und IT-Infrastruktur ausfällt. Die digitale Transformation stärkt die Netzresilienz Der aktuelle Stromausfall ist ein starker Katalysator für eine Neukonzeption der Netzresilienz im digitalen Zeitalter. Er unterstreicht die Notwendigkeit von Schlüsselstrategien für die Zukunftssicherheit unserer Energieinfrastruktur, darunter: Moderne Netzüberwachungs- und -steuerungssysteme Moderne Netzüberwachungs- und -steuerungssysteme Intelligente Netztechnologien der nächsten Generation ermöglichen eine Echtzeitsichtbarkeit der Systembedingungen und eine schnelle Reaktion auf entstehende Instabilitäten. Technologien wie Phasor Measurement Units (PMUs) können Vorläufer von Schwankungen erkennen, bevor sie zu systemweiten Ausfällen eskalieren. Hochentwickelte SCADA-Systeme mit KI-gestützter Analytik können abnormale Muster erkennen und Präventivmaßnahmen empfehlen, bevor herkömmliche Schwellenwerte überschritten werden. Ein effektiver Datenaustausch zwischen den Netzakteuren kann eine kritische Überwachung und Erkenntnisse durch Simulationen und Echtzeitwarnungen ermöglichen.Der Blackout auf der iberischen Halbinsel zeigt, dass eine detailliertere Überwachung erforderlich ist, insbesondere an kritischen Verbindungspunkten zwischen nationalen Netzen. Verbesserte digitale Systeme hätten die anfänglichen Schwankungen an der Verbindungsleitung zwischen Frankreich und Spanien möglicherweise erkennen und so Korrekturmaßnahmen ergreifen können, bevor es zu kaskadenartigen Ausfällen kam. Energiespeicher als digital-physikalische Schnittstelle Energiespeicher als digital-physikalische Schnittstelle Energiespeichersysteme - insbesondere netzdimensionierte Batterien - haben sich zu einer entscheidenden Technologie für die Verbesserung der Netzstabilität entwickelt. Über ihre physischen Funktionen hinaus arbeiten moderne Speichersysteme als hochentwickelte digital-physikalische Schnittstellen mit fortschrittlicher Embedded Software, die folgende Features ermöglicht:Echtzeit-Frequenzregelung durch digitale HochgeschwindigkeitsreglerSynthetische Trägheit zum Ausgleich der geringeren mechanischen Trägheit in Netzen mit hohem Anteil an erneuerbaren EnergienSpannungsunterstützung durch Leistungselektronik mit adaptiven AlgorithmenSchwarzstartfähigkeit mit präziser digitaler Koordination Diese Lösungen machen schnell Fortschritte und sind so konzipiert, dass sie viele der durch den Stromausfall auf der iberischen Halbinsel aufgetretenen Stabilitätsprobleme lösen können. Ihr effektiver Einsatz erfordert eine physische Installation und hochentwickelte Softwareplattformen für die Überwachung, Steuerung und Marktteilnahme. Software-definierte Grid-Architektur Software-definierte Grid-Architektur Die traditionelle Architektur des Stromnetzes, die auf zentraler Erzeugung und passiver Verteilung basiert, entwickelt sich hin zu einem stärker verteilten, softwaredefinierten Modell. Bei diesem Ansatz wird das Netz als dynamische Plattform und nicht als statische Infrastruktur behandelt, was Folgendes ermöglicht:Microgrids, die sich bei Störungen vom zentralen System abkoppeln könnenDemand-Response-Programme, die den Verbrauch an die Systembedingungen anpassenVirtuelle Kraftwerke, die verteilte Ressourcen bündelnDynamische Schutzsysteme, die sich an die veränderten Systembedingungen anpassen Dieser softwaredefinierte Ansatz hätte das geografische Ausmaß des iberischen Blackouts begrenzen können, indem er "Stabilitätsinseln" geschaffen hätte, um kritische Dienste zu schützen, selbst wenn das größere System zusammengebrochen wäre. Cybersicherheit als Standard Cybersicherheit als Standard Auch wenn sie nicht Ursache dieses beispiellosen Blackouts ist, erfordert die zunehmende Digitalisierung der Energieinfrastruktur robuste Rahmenbedingungen für die Cybersicherheit. Künftige Netzsysteme müssen sicher und vertrauenswürdig sein, d. h. sie müssen folgende Anforderungen erfüllen:Zero-Trust-Architekturen für betriebliche TechnologieumgebungenFähigkeiten zur Erkennung von und Reaktion auf Bedrohungen in EchtzeitSecure-by-Design-Protokolle für die gesamte NetzkommunikationRegelmäßige Schwachstellenbewertungen und PenetrationstestsSicherheit der Lieferkette für alle kritischen Komponenten und SoftwareDa die Energiesysteme immer digitaler werden, kann die Cybersicherheit nicht länger ein nachträglicher Gedanke sein, sondern muss in jeden Systementwurf und Betriebsaspekts standardmäßig integriert werden. Digitale Zwillinge für die Resilienzplanung Digitale Zwillinge für die Resilienzplanung Digitale Zwillinge – detaillierte virtuelle Nachbildungen der physischen Infrastruktur - ermöglichen Netzbetreibern nie dagewesene Simulationsmöglichkeiten. Diese Systeme ermöglichen:Szenarienplanung für Extremereignisse wie den aktuellen StromausfallTesten von Schutzsystemen und WiederherstellungsverfahrenTraining für Kontrollraumbetreiber in StresssituationenEchtzeit-Entscheidungshilfe bei Notfällen Wären derartige Möglichkeiten weiter verbreitet gewesen, hätten die Netzbtreiber die sich anbahnende Krise besser einschätzen und wirksamere Reaktionsprotokolle erstellen können. Ein agiler Ansatz für die Netzentwicklung Der Stromausfall auf der iberischen Halbinsel zeigt, dass es bei der Energiewende nicht nur darum geht, die Erzeugungstechnologien zu ändern, sondern auch darum, die Art und Weise, wie wir Stromsysteme konzipieren, betreiben und sichern, grundlegend neu zu überdenken.Traditionelle Ansätze für die Netzentwicklung, die durch jahrzehntelange Planungszyklen und monolithische Infrastrukturinvestitionen gekennzeichnet sind, werden dem Tempo des technologischen und marktwirtschaftlichen Wandels immer weniger gerecht. Ein agiler Ansatz für die Netzentwicklung - in Anlehnung an die Prinzipien der Softwareentwicklung - bietet einen anpassungsfähigeren Weg:Iterativer Einsatz neuer Technologien mit kontinuierlicher Überwachung und VerbesserungModulare Systemarchitektur, die eine unabhängige Aufrüstung der Komponenten ermöglichtDatengestützte Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Betriebserfahrungen und nicht von theoretischen ModellenFunktionsübergreifende Teams, die IT, OT, Marktdesign und Politik miteinander verbindenSzenarioplanung, die Unsicherheiten einbezieht und nicht auf Einzelprognosen beruht Dieser Ansatz trägt der Tatsache Rechnung, dass moderne Stromversorgungssysteme ebenso digital wie physisch sind und Governance-Modelle erfordern, die sich mit der Geschwindigkeit von Software weiterentwickeln können und gleichzeitig die für kritische Infrastrukturen unerlässlichen Zuverlässigkeitsstandards aufrechterhalten. Digitale Transformation als Notwendigkeit, nicht als Option Der Stromausfall auf der iberischen Halbinsel im April 2025 ist ein Weckruf für die europäische Energiesicherheit und eine Erinnerung an die Schwachstellen moderner, stark vernetzter Energiesysteme. Während die genaue Ursache noch untersucht wird, hat der Vorfall die entscheidende Bedeutung der digitalen Resilienz unterstrichen - die Sicherstellung, dass die Systeme für unerwartete Ereignisse gerüstet sind und deren Auswirkungen schnell abgemildert werden können.Mit dem Vorantreiben der Dekarbonisierung und der Elektrifizierung unserer Volkswirtschaften steht die Zuverlässigkeit der Netze immer mehr auf dem Spiel. Die Verfolgung von Zielen im Bereich der erneuerbaren Energien bei gleichzeitiger Vernachlässigung des digitalen Rückgrats, der für die Integration und Verwaltung dieser Ressourcen erforderlich ist, führt zu inakzeptablen gesellschaftlichen Risiken, wie die wirtschaftlichen und menschlichen Auswirkungen des Stromausfalls in Südeuropa anschaulich zeigen.Für die Fachleute des Energiesektors ist die Lektion klar: Die digitale Transformation ist nicht nur eine Frage der Effizienz, sondern ein operatives Gebot. Von zentraler Bedeutung für diese Vision ist die Fähigkeit, Informationen in Echtzeit zu sammeln, zu analysieren und darauf zu reagieren. Die im gesamten Stromnetz gesammelten Daten ermöglichen eine schnellere Erkennung von Problemen und damit ein präventives Handeln, das kaskadenartige Ausfälle verhindern kann. Diese digitale Grundlage unterstützt nicht nur die betriebliche Effizienz, sondern verbessert auch die Kommunikation, indem sie ein klares und genaues Bild des Systemzustands zu jedem beliebigen Zeitpunkt liefert. Je schneller wir Probleme erkennen und darauf reagieren können, desto besser sind wir in der Lage, das Netz zu schützen und größere Unterbrechungen zu vermeiden.Auch wenn auf der iberischen Halbinsel die Lichter wieder leuchten, sollte die Bedeutung des Blackouts für unsere Energiezukunft nicht unterschätzt werden. Der Weg in die Zukunft erfordert mutige Investitionen in die digitale Transformation der Energiebranche - nicht als Luxus für morgen, sondern als wesentliche Absicherung für heute.---Quellen: Massive power outage in Spain and Portugal leaves thousands stranded and millions without light Power outage in Spain and Portugal brings much of Europe's Iberian Peninsula to a standstill Why did the lights go out in Spain and Portugal? Power restoration underway after major outage in Spain and Portugal Images of Chaos as Night Descends on Spain, Portugal Following Power Outage The Iberian Blackout: A Stress Test for Europe’s Energy Future Spain’s Blackout Crisis: A Wake-Up Call for Renewable Energy Grids? Power begins to return after huge outage hits Spain and Portugal
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