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ADHS und berufliche Karriere: Neurodiversität als Stärke

Für diesen Beitrag haben wir mit zwei unserer Teamkolleginnen gesprochen: Gabriella Hersche (Learning and Development Expert) und Tuana Savrim (DevOps Engineer). Sie berichten, wie sie gelernt haben, mit ADHS in einem dynamischen und qualitätsorientierten Arbeitsumfeld erfolgreich zu sein.

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Forschungen zufolge sind etwa 15–20 % der Menschen weltweit neurodivergent. Dabei handelt es sich um einen weit gefassten Oberbegriff für eine Reihe von Besonderheiten im Hinblick auf die Funktionsweise des Gehirns und der Verhaltensmerkmale. Die Einzelheiten mögen variieren, aber rein rechnerisch muss bis zu einem Fünftel der Menschen, die bei einem Unternehmen wie Zühlke arbeiten, gleichzeitig den Beruf und eine Neurodivergenz managen. Für diesen Beitrag haben wir mit zwei unserer Teamkolleginnen gesprochen: Gabriella Hersche (Learning and Development Expert) und Tuana Savrim (DevOps Engineer). Sie berichten, wie sie gelernt haben, mit ADHS in einem dynamischen und qualitätsorientierten Arbeitsumfeld erfolgreich zu sein.

ADHS: Ein Überblick

Zum Einstieg: Was meinen wir eigentlich, wenn wir von ADHS sprechen? Viele denken dabei sofort an den Zappelphilipp. Dabei kann sich ADHS auf ganz unterschiedliche Weise äußern und Menschen jeden Alters betreffen. Als Hauptsymptome gelten im Allgemeinen Konzentrationsschwierigkeiten, Hyperaktivität und Impulsivität, wobei der Grad der Ausprägung individuell sehr unterschiedlich sein kann und manchmal gar nicht erkennbar ist. Etwa 2,5–6,7 % der Erwachsenen weltweit sind betroffen – und bei bis zu 75 % dieses Personenkreises blieb die Divergenz als Kind unentdeckt. Vor allem Menschen, die bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen wurden (assigned female at birth, AFAB), werden vielfach erst im Erwachsenenalter diagnostiziert, da ihre Symptome oft nicht dem „typischen“ Bild der Hyperaktivität entsprechen.

Bei ADHS am Arbeitsplatz geht es meist um die Fähigkeit zur Fokussierung. Beide Gesprächspartnerinnen haben das Thema auf die eine oder andere Weise angesprochen, aber die Konzentrationsfähigkeit ist nur einer der vielschichtigen Aspekte, von denen sie berichten. Sie beschreiben auch Herausforderungen beim Zeitmanagement, bei der Prioritätensetzung und dass sie „mehrdimensionaler“ als neurotypische Menschen denken. Betroffene erleben deshalb oft, dass ihre Befähigung und Motivation angezweifelt wird. 

Tuana Savrim's portrait
„ Aber wenn andere denken, ich kann mich nicht konzentrieren, ist oft genau das Gegenteil der Fall – ich bin zu fokussiert und in Gedanken schon zehn Schritte weiter. “
Tuana Savrim
Advanced DevOps Engineer

Information, Aufklärung und eine differenzierte Betrachtungsweise neurodivergenter Erscheinungsbilder ist der rote Faden unserer Gesprächsreihe. Wir kommen später noch darauf zurück.

Die positiven Aspekte

Es ist einfach, die zahlreichen Herausforderungen für Menschen mit ADHS aufzuzählen – aber das wäre viel zu kurz gegriffen. Im Gespräch mit unseren Teamkolleginnen erfahren wir, dass sie besondere Stärken für ihre Arbeit mitbringen – gerade weil sie anders denken und Informationen anders verarbeiten als neurotypische Menschen. Gabriella fällt es zum Beispiel sehr leicht, kreativ zu sein und damit die Dinge ins Rollen zu bringen: 

Gabriella Hersche portrait
„ Auch wenn meine spontanen Ideen manchmal abwegig klingen, bringen sie andere oft auf Lösungen, auf die sie sonst nicht gekommen wären. “
Gabriella Hersche
Group Learning and Development Expert

Ihrer Meinung nach sind Menschen mit ADHS außerdem die geborenen Unternehmer:innen, denn für die notwendige Risikobereitschaft ist eine gewisse „Impulsivität“ durchaus von Vorteil. Sie setzen sich oft selbstbewusster und freier mit neuen Ansätzen und Möglichkeiten auseinander, und nicht selten ergeben sich daraus Innovationschancen für ihre Unternehmen.

Eine der großen Stärken von Tuana ist ihre Fähigkeit, auch unter Druck Ruhe zu bewahren. „Wenn es kritisch wird, kommen die Leute gerne zu mir, weil ich Herausforderungen eher spannend als beängstigend finde“, sagt sie. In solchen Situationen ist ihre Hyperfokussierung von Vorteil, genauso wie ihre Fähigkeit, Ungewissheit zu ertragen, ohne übermäßig Stress zu empfinden. Dies ist nur ein Beispiel für die vielen positiven Aspekte, die Menschen mit ADHS einbringen und die ein umfassenderes Bild von Neurodivergenz am Arbeitsplatz zeichnen.

Herausforderungen überwinden

In einem Punkt sind sich die Kolleginnen jedenfalls einig: die ADHS-Diagnose ist keinesfalls ein Karrierehindernis. Du brauchst nur ein paar clevere Strategien für Deine Herausforderungen. Gabriella arbeitet beispielsweise mit einer Notizentechnik, um den Überblick zu behalten. „Ich habe ein Whiteboard, auf dem ich komplexe Ideen skizziere, um sie klar vor Augen zu haben. Außerdem beginne ich jeden Tag mit einer handschriftlichen To-do-Liste. So behalte ich meine Aufgaben im Blick und teile mir meine Zeit effizient ein“, erklärt sie.

Gabriella Hersche portrait
„ Die Arbeitskultur bei Zühlke hat es mir erleichtert, mit meinen Stärken und Herausforderungen beruflichen Erfolg zu haben. Die Flexibilität des Arbeitsorts und der Arbeitszeiten sowie die Kultur des offenen Feedbacks waren für mich sehr wertvoll. “
Gabriella Hersche
Group Learning and Development Expert

Sowohl Tuana als auch Gabriella haben mit ADHS-Coaches gearbeitet und finden, dass sie dadurch effizienter geworden sind. Tuana berichtet, sie habe „Hacks für das ADHS-Gehirn“ kennengelernt. Sie weiß jetzt, wie sie mit ihrer angeborenen Disposition arbeitet statt gegen sie. Außerdem scheut sie sich nicht, ihre Bedürfnisse klar zu äußern. Sie bittet beispielsweise andere, sie konkret anzusprechen, anstatt ihr Aufgaben zu übertragen, die sich in langen E-Mail-Threads verbergen. „Menschen mit ADHS fühlen sich schnell überfordert, wenn sie mit großen Textmengen konfrontiert sind, in denen nur ein Teil für sie relevant ist. Auf eine direkte Aufforderung können sie aber sofort reagieren“, erklärt Tuana.

Mit ADHS Karriere machen

Beide Kolleginnen erzählen, welchen Einfluss die Neurodivergenz allgemein auf ihren Werdegang hatte. Gabriella führt ihre abwechslungsreiche Laufbahn und die umfassende Erfahrung, die sie dabei sammeln konnte, auf ihre ADHS zurück. „Andere bleiben vielleicht 20 Jahre lang in ein und demselben Bereich. Aber ich liebe Abwechslung in meinem Leben, und deshalb war mein Berufsweg auch nicht klassisch geradlinig“, sagt sie. Tuana berichtet, dass sie sich ihrer Stärken und Grenzen bewusst werden musste, ohne sich mit Gewalt anzupassen. 

Tuana Savrim's portrait
„ Ich habe anfangs versucht, alle äußeren Erwartungen zu erfüllen, aber das hat mich total erschöpft. Jetzt weiß ich, dass es gut und in Ordnung ist, anders zu sein. Ich finde außerdem, dass die Offenheit, mit der ich bei Zühlke mit meiner ADHS umgehen kann, mir im Arbeitsleben sehr geholfen hat. “
Tuana Savrim
Advanced DevOps Engineer

Anderen Betroffenen, die eine Karriere anstreben, raten beide dazu, möglichst offen mit ihrer Neurodivergenz umzugehen. Gabriella findet es auch wichtig, sich bewusst mit der ADHS zu befassen: „Wenn Du Deine Herausforderungen kennst, kannst Du Strategien zu ihrer Überwindung entwickeln, und wenn Du Deine Stärken kennst, kannst Du sie gezielt einsetzen“, sagt sie. Außerdem hat sie noch einen einfachen, aber effizienten Tipp für neurotypische Personen: „Wenn Du mit jemandem mit ADHS sprichst, solltest Du immer mit dem Resultat oder der Schlussfolgerung beginnen. Das entspricht zwar nicht dem traditionellen Storytelling, aber Menschen mit ADHS denken oft sofort ans Ergebnis, wenn Du anfängst zu erzählen – und dann schaffen sie es nicht mehr, alle Details Deines Berichts aufzunehmen.“

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