6 Minuten Lesezeit Mittel- bis langfristig sollten Devices in bestehende IT-Infrastrukturen eingebunden werden. Mit einem höheren Grad an Automatisierung durch Roboter und Lesesysteme, die RFID-Tags verwenden, könnten Durchsatz und Qualität deutlich gesteigert werden. Digitalisierung kann unser Gesundheitswesen deutlich effektiver machen – in der aktuellen aber vor allem auch in zukünftigen Krisensituationen. Wir skizzieren mögliche Wege in eine digitalere und bessere Zukunft. Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit den Hausarztpraxen bzw. der ambulanten Versorgung sowie den Krankenhäuser bzw. der stationären Versorgung. In diesem zweiten Teil befassen wir uns mit den Medizintechnikherstellern, den Laboren bzw. der Diagnostik und der Pharmaindustrie. Medizintechnikhersteller Während die Corona-Krise für eine Rekordnachfrage nach Beatmungsgeräten sorgte, hatten viele Hersteller von Medizingeräten mit unterbrochenen Lieferketten zu kämpfen. Aufgrund der strengen Qualitätsanforderungen im Medizinbereich ist es dabei sehr schwierig, kurzfristigen Ersatz zu finden, was viele Hersteller vor ernste Probleme stellte. Kurzfristig: Additive Fertigung gegen Nachschubprobleme Eine kurzfristige Lösung für fehlende Bauteile könnte die additive Fertigung sein. Wir arbeiten bereits seit Jahren mit Teilen aus 3D Druckern. Die Qualität hat sich hier kontinuierlich verbessert und ist heutzutage vergleichbar mit Spritzgussteilen. Der Vorteil ist, dass es in Europa bereits eine grosse Anzahl von qualifizierten Anbietern gibt. Zühlke konnte diese Technologie bereits bei einigen Prototypen von Medizingeräten für klinische Studien einsetzen. Sind alle Teile für die Fertigung vorhanden, werden oft die Test- und Prüfsysteme zum Flaschenhals in der Produktion. Alle Medizin-Produkte müssen vor der Auslieferung auf GxP-konformen Prüfsystemen verifiziert werden. Während der Corona-Krise konnten wir durch den Nachbau von gut dokumentierten Prüfanlagen den Ausstoss von einigen Produktionen im Medizintechnik-Bereich wieder an die erhöhte Nachfrage anpassen. Mittel- bis langfristig: Einbindung von Devices in bestehende IT-Infrastrukturen Viele moderne Diagnosegeräte sind bereits mit Technologien ausgestattet, die eine Übertragung von Daten an ein Smartphone oder direkt ins Internet erlauben. Trotz der verfügbaren Verbindungstechnologie ist die Integration der Geräte in die bestehende IT-Infrastruktur des Gesundheitsbereichs bisher noch nicht sehr fortgeschritten. In Zukunft müssen die Gerätehersteller mehr auf die Konnektivität und Interoperabilität ihrer Geräte achten. Dafür sollten neben zukunftsfähigen Verbindungsstandards wie Bluetooth und LoRa auch die entsprechenden semantischen Standards, wie zum Beispiel HL7 berücksichtigt werden. Diagnostik / Labore Die Analyse der Verbreitung und der Ansteckungsrate einer Virusinfektion ist wichtig für die Entwicklung der richtigen Gegenmassnahmen. Hier spielen Labore eine entscheidende Rolle. Kurzfristig: Auslastung optimieren mit GPS-Trackern Damit alle Beteiligten einen guten Überblick über den Status der Proben haben, wäre eine automatische Nachverfolgung auch ausserhalb der Labore wünschenswert. Hier gibt es in der Logistik bereits bewährte Lösungen, die aber bei normalen Proben noch nicht zum Einsatz kommen. Über einfache GPS-Tracker, die mit den Proben verschickt werden, könnten Labore ihre Auslastung optimieren und die Transportkapazitäten könnten besser abgestimmt werden. Als pragmatische Lösung in den vergangenen Monaten erwiesen sich dabei GPS-Hundehalsbänder, die den Lieferungen beigelegt wurden. Mittelfristig: Moderne und standardisierte Anbindung der Laborsysteme Die zeitnahe Weiterleitung von Testergebnisse in einer geeigneten Form an die wichtigsten Stellen ist für die Bekämpfung einer Pandemie unabdingbar. In der Schweiz etwa hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit einer wahren Flut von Papierdokumenten aus den Laboren zu kämpfen, da es hierfür noch keinen einheitlichen digitalen Standard gibt. Auch hier gab es laut Presseberichten eine pragmatische Lösung in Form von Waagen, um die Papier-Stapel mit Berichten von negativ-getesteten Patienten abzumessen. Mit einer modernen und standardisierten (z.B.: IHE/HL7) Anbindung der Laborsysteme an die nationalen Berichtsysteme wäre das Lagebild der Krise aber sicherlich akkurater und aktueller. Langfristig: Automatisierungsgrad erhöhen Das Management von Proben in einem solchen Umfang wie zu Hochzeiten der Corona-Krise stellt viele Labore vor grosse logistische Herausforderungen. Es ist entscheidend, dass eine lückenlose Nachvollziehbarkeit während der Auswertung der Proben gegeben ist. Viele manuelle Bearbeitungsschritte stellen eine grosse Fehlerquelle dar. Mit einem höheren Grad an Automatisierung durch Roboter und Lesesysteme, die RFID-Tags verwenden, könnten Durchsatz und Qualität deutlich gesteigert werden. Pharma-Industrie Die Pharmaindustrie ist einer der wenigen Bereiche in der Gesundheitsindustrie, der beim Thema Digitalisierung bereits Fahrt aufgenommen hat. Das gilt insbesondere für den Bereich R&D, in dem bereits heute KI auf breiter Basis zum Einsatz kommt. Mittel- bis Langfristig: Näher an die Patienten Angesichts der langen Zeiträume, in denen sich die Entwicklungsprozesse in der Pharmaindustrie abspielen, fällt es schwer, hier mögliche Ad-hoc-Maßnahmen zu identifizieren, mit denen Digitalisierung das Bewältigen der aktuellen Krise erleichtern könnten. Um zukünftig besser für Pandemien gerüstet zu sein, könnten Pharmaunternehmen allerdings näher an Patienten und Konsumenten herantreten. Hier bietet die Kombination von Biosensorik und künstlicher Intelligenz eine Menge Potenzial – bis hin zum Erkennen von Krankheiten vor dem Ausbruch der ersten spürbaren Symptome. Für die Pharmaindustrie bieten digitale Technologien hier eine breite Palette von Möglichkeiten. Denkbar wären etwa Apps und Devices, die die Teilnahme an klinischen Studien erleichtern. Auch wenn es darum geht, das Verhältnis zwischen Ärzten und Patienten mit digitalen Technologien zu erweitern, könnte die Pharmaindustrie eine prägende Rolle spielen, genau wie bei der Unterstützung von Ärzten mittels künstlicher Intelligenz. Ein wichtiger Punkt ist hierbei allerdings, dass die Daten, um die es hier geht, besonders schützenswert sind. So ist es Pharmaunternehmen aktuell beispielsweise in Deutschland gar nicht erlaubt, Daten direkt bei Endverbrauchern zu erheben. Allerdings zeichnen sich hier bereits interessante potenzielle Lösungen ab wie etwa das Startup Ocean Protokoll, oder das so genannte Federated Learning. Das Ziel beider Ansätze ist es, Daten exklusiv, sicher und zuverlässig für das Training von Algorithmen zur Verfügung zu stellen, ohne dass diese in irgendeiner weiteren Form ausgelesen werden können. Beide Ansätze könnten die Digitalisierung des Healthcare Ecosystems entscheidend voranbringen – und der Pharmaindustrie dabei eine zentrale Rolle zukommen lassen. Fazit Es fehlt nicht an guten Ideen und den entsprechenden Technologien. Die Anzahl an freiwilligen Initiativen (helpfulETH, Code vs Covid 19, Maker vs Virus, WirVsVirus, Hack the Crisis) haben gezeigt, dass der Wille zur Umsetzung der digitalen Lösungen gegeben ist. Viele der Ergebnisse können jedoch nicht in der Praxis angewendet werden, da nicht alle geltenden Richtlinien in so kurzer Zeit umgesetzt werden konnten. Am Ende wird es davon abhängen, wie gut die digitalen Lösungen von den Nutzern im Gesundheitssystem akzeptiert werden. Besonders im Hausarztbereich spürt man oft eine Hemmschwelle gegenüber digitalen Veränderungen. Wir sind davon überzeugt, dass Technologie und Vernetzung der Schlüssel zu einem effizienteren Gesundheitssystem sind und die Auswirkungen von Virus-Pandemien reduzieren können.
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