Industrie

Ist „solide“ ein Auslaufmodell?

5 Minuten Lesezeit
Mit Insights von

  • Ob jetzt oder später – der nächste Konjunktureinbruch kommt bestimmt.

  • Es wird Unternehmen geben, die damit besser zurechtkommen als andere.

  • Was können Unternehmen schon heute tun, um sich auf die Krise vorzubereiten?

Ob jetzt oder später – der nächste Konjunktureinbruch kommt bestimmt, sogar für den Maschinenbau. Und auch in diesem Zyklus der Konsolidierung wird es Unternehmen geben, die damit besser zurechtkommen als andere. Was können Unternehmen schon heute tun, um sich auf die Krise vorzubereiten?

Oberflächlich betrachtet bleibt hier alles beim Alten: Es geht um Gewinnmaximierung. Hier gibt es nach wie vor nur zwei Möglichkeiten, entweder durch höhere Umsätze und/oder durch geringere Ausgaben. Beide Wege haben eines gemeinsam: Daten werden zunehmend eine wichtige Rolle spielen, wenn sie nicht sogar zum kritischen Erfolgsfaktor werden. Somit gilt für beide genannten Möglichkeiten, dass der Weg zu einer „Data Driven Organisation“ nicht nur beobachtet, sondern vielmehr Teil der Unternehmensstrategie werden sollte. Das bedeutet aber auch, dass gerade die soliden Unternehmen sich hier schwertun.

Wir empfehlen als Vorbereitung auf eine Krise einen ganzheitlichen Ansatz, der beide Aspekte berücksichtigt: Auf der einen Seite neue Geschäftsmodelle, die innovative Produkte und Services generieren. Auf der anderen Seite das Thema Operational Excellence: Mittels Digitalisierung und Agilisierung Prozesse optimieren und so Kosten und oft auch Zeit bis hin zum Endkunden in der Auftragsumsetzung sparen.
In diesem Beitrag konzentriere ich mich auf den ersten Aspekt: Die Steigerung der Einnahmen durch neue und innovative Produkte und Services, die sich an den Bedürfnissen des Marktes orientieren. Angesichts des Innovationsdrucks gerade in Branchen wie dem Maschinen- und Anlagenbau, steht dieses Thema für viele Unternehmen ohnehin ganz weit oben auf der Agenda. Und das nicht zu Unrecht: Schließlich werden diese Bedürfnisse auch in einer Krise nicht so schnell verschwinden.

Neue Technologien und Methoden ermöglichen innovative Produkte

In Anbetracht des hohen Reifegrades vieler Produkte lautet die entscheidende Frage: Wie können Unternehmen überhaupt noch wirklich innovativ sein, wenn weitere Effizienzsteigerungen für die Kunden nur noch auf dem Datenblatt eine Innovation darstellen, die Prozesse auf Kundenseite aber nicht wirklich voranbringen? Gerade die „soliden“, etablierten Unternehmen, die in ihrer Branche als technologisch führend gelten, müssen bei Produktinnovationen oft neue Wege gehen und eher wie ein Startup an neue Produkte herangehen. Oft ist es die Auseinandersetzung mit neuen Technologien wie Mixed/Virtual Reality aber auch mit Methoden wie Data Science, die einen Ausgangspunkt für die Entwicklung neuer, innovativer Produkte darstellt.

Methoden wie Lean Canvas helfen dabei, die oft sehr domänen- und technologiezentrierte Perspektive dieser Unternehmen um eine eingehende Betrachtung der Kundenperspektive und der Wirtschaftlichkeit zu ergänzen. Allein die interdisziplinäre Sicht vom Kundenservice bis zur F&E sorgt erfahrungsgemäß für starke Aha-Effekte. Auch mittels IoT-Lösungen und integrierter Data Analytics gewonnene Insights zur Produktnutzung können dabei wertvollen Input liefern. Ziel sollte es sein, möglichst schnell und mit einfachen Mitteln einen fundierten Proof of Concept zu erstellen und damit Feedback von Zielkunden/Personas abzuholen. Darauf aufbauend gilt es die Produktdefinition und den Business Case zu detaillieren, so dass mit Blick auf die Customer Experience die relevanten User Stories in entwicklungsfähige Anforderungen beschrieben werden. Mit einem gesunden Mix aus z.B. Scrum und RUP (Rational Unified Process) Methodik schließt sich daran die agile Software- und/oder Hardwareentwicklung für die Industrialisierung des neuen Produkts an.

Reibung zwischen Erwartungen und agilen Methoden

Ob Innovation bei Produkten oder bei Dienstleistungen – letzten Endes geht es darum, Business Cases zu entwickeln und diese dann zu operationalisieren. Die so entstandene Lösung kann dann industrialisiert werden. Klingt einfach, oder? Erfahrungsgemäß sorgt schon allein der etablierte Stage Gate oder Produktentwicklungsprozess in Unternehmen dafür, dass die Reibung zwischen Erwartungen/Versprechen im übergeordneten Prozess und dem agilen Entwicklungsvorgehen zur Projekthitze führt.

Doch dieser Entwicklungsprozess kann auch noch weitaus nachhaltigeren Mehrwert generieren: Weitsichtige Unternehmen nutzen ihn, um für die Vernetzung Ihrer Produkte-/Lösungen eine Daten-Plattform zu schaffen und legen so die Grundlage für eine konsistente und flexible Datensammlung. Hier schließt sich der Kreis aus kundenzentrierter Entwicklung und Datengenerierung sowohl von den eigenen Kernprozessen als auch von den Endkunden über die Produkte. Gerade diese oftmals erstmalig in Daten gefassten Bedürfnisse der Endkunden helfen dabei, Innovation zu verstetigen.

Agilisierung der Organisation als größte Herausforderung

Nur wenn Engineering 4.0 (Bereitstellung und Nutzung aller Daten) und Science 4.0 (Nutzung von KI, um automatisiert Wissen aus Daten zu gewinnen) zusammenwachsen, wird der notwendige Schritt zu einer datengetriebenen Innovation und letztlich zu einer „Data Driven Organisation“ funktionieren. Das erfordert allerdings neue Wege sowie Know-how und Technologien, die sich oft jenseits der Kernkompetenz der Unternehmen befinden. Hierfür zeitweise auf externes Know-how zurückzugreifen und parallel eigenes Know-how aufzubauen ist keine Schwäche, sondern hilft, zeitnah das Innovationsdreieck aus Business, Technologie und Kundenzentrierung zu orchestrieren und damit die Basis für weitere innovative Produkte, Services und Geschäftsmodelle zu schaffen.

Die größte Herausforderung stellt hierbei erfahrungsgemäß die Agilisierung der Organisation dar – und zwar über den Bereich F&E hinaus. Unternehmen müssen bei der Evaluierung neuer Technologien über einzelne Silos hinweg im Prozess denken und nicht in einzelnen Features. Dass wir damit schnell bei „so haben wir es schon immer gemacht“ und Rationalisierungsängsten sind, sollte jedem klar sein. Und bitte, unterschätzen Sie den kulturellen Change nicht, dagegen ist die Digitalisierung inklusive der technischen Schnittstellenintegration „leicht zu handhaben“. Mit diesem großen Ganzen im Hinterkopf ist die Umsetzung schrittweise durchzuführen.

Ansprechpartner für Deutschland

Jens von der Brelie

Managing Director ICP Germany & Partner

Jens von der Brelie verfügt über langjährige Erfahrung in der Produktentwicklung, im Produktmanagement und im Vertrieb in der Industrie. In verschiedenen Verantwortungsbereichen hat er mehr als 30 Jahre Berufserfahrung im Anlagenbau, der Automatisierungstechnik, der Gebäudetechnik und der Konsumgüterindustrie gesammelt. Seit 2011 bei Zühlke, leitet er aktuell die Market Unit Industrial and Consumer Products. Er hat einen Abschluss als Dipl.-Ing. in Elektrotechnik mit Schwerpunkt Datentechnik der Technischen Universität Braunschweig.

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Rolf Höpli

Director Business Development, Schweiz

Rolf Höpli ist Partner der Zühlke Gruppe. Er ist verantwortlich für die Unternehmensentwicklung im Schweizer Industriesektor. Aufgrund seiner Fachausbildungen in den Bereichen Maschinenbautechnik und Informatik haben ihn die zahlreichen Möglichkeiten, die sich aus der Kombination von cleverer Software und Maschinen ergeben, schon immer fasziniert. Die  Schwerpunkte von Rolf Höpli liegen auf der Transformation des Kundenerlebnisses sowie auf den Bereichen interdisziplinäre Produktinnovation und Monetarisierung von datenwissenschaftlichen Anwendungsfällen. Seine Erfahrungen gibt er weiter als Referent (MEM-Kongresse) und als Dozent (FFHS und BFH).

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