6 Minuten Lesezeit Mit Insights von Kevin Denver Principal Software Engineering Consultant Kevin.Denver@zuhlke.com Betritt man heute ein Geschäft in der Innenstadt und blickt nach oben, trifft der Blick meist auf eine Überwachungskamera. Seit den 1980er-Jahren ist CCTV fester Bestandteil der Sicherheitsstrategie im Einzelhandel – aber die Technologie ist ein stumpfes Werkzeug: reaktiv statt vorausschauend. Es sei denn, die altgedienten Kameras werden mit KI-gestützter Computer Vision (CV) kombiniert. Die Kombination von Machine Learning mit vernetzten, modularen Datenökosystemen eröffnet völlig neue Möglichkeiten. Einzelhändler können ihre Kamera-Infrastruktur neu denken – als Quelle für mehr Sicherheit, bessere Abläufe und personalisierte Angebote. Hierfür müssen die Unternehmen allerdings komplexe Herausforderungen meistern: von ethischen Bedenken über veraltete Systeme bis hin zu isolierten Datensilos. Sie alle stehen zwischen der Technik von heute und den intelligenten Ladengeschäften von morgen. Was Computer Vision im Einzelhandel leisten kann Stellen wir uns eine Zukunft vor: In einem modernen Ladengeschäft analysiert Computer Vision die Kamerabilder umfassend und in Echtzeit – und kombiniert sie mit weiteren Datenquellen. In diesem Ladengeschäft zeigen Heatmaps, welche Bereiche unter- oder überfrequentiert sind, und empfehlen auf dieser Basis optimierte Laufwege und eine bessere Platzierung des Sortiments. Beliebte Gänge werden mit Wetter- und Feiertagsdaten sowie weiteren Kontextinformationen kombiniert, um zeitlich passende Promotion-Aktionen vorzuschlagen. An den Selbstbedienungskassen vermeidet eine KI-Videoanalyse im Hintergrund Streitfälle zu Gewichten oder Altersfreigaben. Potenzielle Diebstähle werden in Echtzeit erkannt – nicht erst beim Verlassen des Ladens. Und die Warteschlangen werden kontinuierlich überwacht, um die Personalplanung sowohl aktuell als auch vorausschauend zu optimieren.Der Schlüssel: Die vorhandene Kamerainfrastruktur wird zur Quelle intelligenter Insights – durch die Kombination mit KI. Diese Anwendungsfälle basieren auf einem Grundprinzip: Ein ‘digitaler Zwilling’ des Ladengeschäfts analysiert verschiedene Datenquellen – Video ist dabei nur eine davon. Die Erkenntnisse lassen sich in drei zentrale Bereiche gliedern:DiebstahlerkennungKI kann Diebstahl in Echtzeit erkennen, indem sie Verhaltensmuster analysiert – etwa bei Bewegungen in der Nähe hochpreisiger Produkte oder beim Versuch, Waren zu verbergen.Sicherheits- und GefahrenpräventionComputer Vision kann Fluchtwege überwachen, den Zugang zu altersbeschränkten Bereichen steuern, verschüttete Flüssigkeiten oder Stolperfallen erkennen – und sogar potenziell gewalttätiges Verhalten frühzeitig identifizieren.Optimierung des Betriebs und Layouts des LadengeschäftsVon intelligenten Kassen über automatisierte Alterskontrollen bis zu datengestütztem Inventarmanagement: KI kann Prozesse effizienter und kundenorientierter gestalten – sofern sie mit den richtigen Datenquellen kombiniert wird.Denn der wahre Mehrwert von Computer Vision entsteht erst im Zusammenspiel mit weiteren Informationen: Bestandsdaten, Personaleinsatzplänen oder Kaufhistorien. Doch genau hier liegt die Herausforderung: Viele relevante Daten sind in Altsystemen versteckt, fragmentiert oder schwer zugänglich. Ihre sinnvolle Nutzung erfordert moderne Analysen, durchdachte Modelle und eine nahtlose Integration – als Fundament für KI-Anwendungen im großen Stil. Und selbst wenn diese Datenbasis vorhanden ist, gibt es noch weitere Hürden. Was die Einführung von Computer Vision derzeit noch bremst So überzeugend die Einsatzmöglichkeiten sind – die Realität sieht oft anders aus. Damit Computer Vision mehr ist als eine Vision, müssen Einzelhändler schwierige Fragen beantworten und bestehende Strukturen überdenken. Überwachung mit NebenwirkungenHardware ist vielerorts bereits installiert. Aber reicht das aus? Denn sobald Kamerabilder als Input für KI genutzt werden, stellen sich neue ethische Fragen: Reicht ein Hinweisschild an der Wand als Zustimmung zur Nutzung? Die europäische Datenschutzbehörde betont, wie schwer es ist, in öffentlichen Räumen eine echte Zustimmung einzuholen. Auch das britische ICO (Information Commissioner’s Office) gibt zu, dass sich der Datenschutz in der Praxis oft nur schwer umsetzen lässt. Und die britische Richtlinie für Überwachungskameras fordert, dass „nicht mehr Daten gespeichert werden dürfen als unbedingt notwendig.“Besonders problematisch: In Test- und Pilotphasen ist oft noch gar nicht klar, wie genau die Daten später genutzt werden sollen – eine saubere Einwilligung ist somit kaum möglich.Abseits der rechtlichen Fragen zählt vor allem eines: Vertrauen. Mitarbeitende und Kund:innen müssen klar erkennen können, welche Daten erfasst werden, wie diese verwendet werden – und dass ihre Privatsphäre dabei gewahrt bleibt.Technologische Rückstände bremsen InnovationenHinzu kommen technische Anforderungen: Fairness, Nachvollziehbarkeit, Sicherheit. Viele Ladengeschäfte haben Kameras – aber keine moderne IT-Infrastruktur, um daraus echte Erkenntnisse zu gewinnen. Es fehlt an vernetzten Datenpipelines, verlässlicher Datenqualität und durchdachter Governance. Für viele Unternehmen ist dieser Weg noch weit. Wer die Potenziale von Computer Vision heben will, muss investieren – in sechs zentrale Bereiche:Analyse ethischer, rechtlicher und sicherheitsrelevanter FragestellungenEnd-to-end Service DesignUser Research und Experience DesignPilotierung neuer TechnologienEntwicklung und Integration eigener LösungenAuswahl und Lizenzierung externer Best-in-Class-Produkte Zurück zum Start – aber mit klarem Fokus Wie also lässt sich all das konkret angehen? Wie gelingt der Sprung von Vision zu Umsetzung? Antwort: mit Fokus. Die Bandbreite der Möglichkeiten ist groß – und kann leicht überfordern. Der sinnvollste Weg ist daher, klein zu starten: mit einem klar definierten Use Case, der einen konkreten Mehrwert bringt. Denn gezielte Anwendungen mit klar umrissenen Datenpunkten erleichtern auch die Entscheidung für passende Technologien und ein tragfähiges Datenmodell.In der Praxis bedeutet das:Einen konkreten, business-getriebenen Use Case auswählenZiele und benötigte Datenpunkte festlegenPassende Governance-Richtlinien entwickelnDiese Richtlinien transparent an Kund:innen und Mitarbeitende kommunizierenEine menschliche Kontrollinstanz für kritische Entscheidungen einbauenEin modulares System wählen, das spätere Innovationen erleichtert Dieses systemische Vorgehen entspricht auch dem Zühlke-Ansatz für den Wandel bestehender IT-Systeme im Einzelhandel – festgehalten im Retail CTO Playbook:Fokus auf modulare ArchitekturenVereinheitlichung und Aufbereitung von DatenInvestitionen in skalierbare InfrastrukturStrategische Integration von KIVerankerung von Nachhaltigkeit Neugierig, wie diese Zukunft konkret aussieht? 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