7 Minuten Lesezeit Mit Insights von Philipp Morf Head AI & Data Practice philipp.morf@zuehlke.com Steht künstliche Intelligenz im Widerspruch zur persönlichen Kundenbeziehung? Vier Szenarien für eine optimale Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine In diesem Artikel stellen wir vier Szenarien für eine optimale Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine zur Verbesserung der digitalen Kundenerfahrung durch maschinelles Lernen und Lösungen der künstlichen Intelligenz vor. „Eine verbesserte digitale Kundeninteraktion“, „personalisierte Angebote und Services“, „kürzere Reaktionszeiten“, „Vermeidung der Kundenabwanderung“ – die Ziele hinter vielen aktuellen Projektanfragen aus der Banken- und Finanzbranche bei Zühlke lassen sich unter dem Thema „Verbesserung des Kundenerlebnisses“ zusammenfassen. Unsere subjektive Einschätzung, dass das Kundenerlebnis im Moment das Thema Nr. 1 in der Bankenwelt ist, wird statistisch gestützt: Gemäß Digital Banking Report [1] gehört die Verbesserung des digitalen Kundenerlebnisses bei 80 % der befragten Firmen zu den 3 wichtigsten strategischen Zielen in der Finanzindustrie. Dabei setzen die Finanzhäuser für Projekte zur Verbesserung des Kundenerlebnisses zunehmend auf maschinelles Lernen (ML) bzw. künstliche Intelligenz (KI). Zühlke veranschaulicht Anwendungsfälle von KI entlang der Customer Journey gerne anhand des Marketing-&-Sales Prozesses („Funnel“). Die aktuell gängige Form dieses Prozesses besteht aus zwei „Funnels“, welche durch den Kauf bzw. den Vertragsabschluss verbunden sind: im ersten Funnel geht es darum, den Kunden zu gewinnen, im zweiten, den Kunden zu halten und zum begeisterten Anhänger eines Unternehmens zu machen. Typische Anwendungsfälle von KI zur Verbesserung des Kundenerlebnisses im Banking, dargestellt entlang des Marketing-&-Sales Prozesses Die meisten der dargestellten ML/KI-Anwendungsfälle werden von Banken in Betracht gezogen oder bereits umgesetzt, wobei momentan der Fokus auf Empfehlungssystemen liegt. Bei Privatbanken dienen „Recommender Engines“ allerdings in den meisten Fällen nicht der Akquisition neuer Kunden, sondern der Empfehlung von neuen Produkten in einem bestehenden Anlageportfolio. Steht künstliche Intelligenz im Widerspruch zur persönlichen Kundenbeziehung? Kundenorientierung ist für Banken ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Die Kundenbeziehung basiert auf Vertrauen und persönlicher Beratung durch ein empathisches Gegenüber. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob künstliche Intelligenz und ein verbessertes Kundenerlebnis im Banking wirklich zusammengehen. Die Antwort lautet ja, wenn man dabei den Menschen nicht vergisst. Wir stellen im vorliegenden Beitrag zwei wichtige Erfolgsfaktoren für KI-Umsetzungsprojekte vor: den geschickt kombinierten Einsatz von Mensch und Maschine sowie die Vertrauensbildung bei der Umsetzung von KI-Projekten. Vier Szenarien zum optimalen Miteinander von Mensch und Maschine Aktuell ist die Automatisierung von Prozessen mittels Künstlicher Intelligenz ein viel diskutiertes Thema. Wir sind jedoch der Meinung, dass größtmögliche Automatisierung, speziell bei Prozessen mit Kundeninteraktion, kaum je das Ziel sein sollte. Vielmehr geht es darum, Mensch und Maschine mit ihren Stärken optimal einzusetzen, um die Qualität und Effizienz des Prozesses markant zu steigern. So sollte etwa die Maschine Aufgaben übernehmen, die repetitiv oder für den Menschen schwierig zu überblicken sind. Auch wenn sehr kurze Reaktionszeiten gefordert sind, ist ein maschineller Einsatz zu erwägen. Der Mensch hingegen soll seine kreativen, empathischen und kommunikativen Fähigkeiten sowie seine Intuition und natürlich auch jederzeit den gesunden Menschenverstand einbringen können. Im Hinblick auf den Prozessablauf sollten Aufgaben klar dem Menschen oder dem Rechner zugewiesen werden. Folgende vier Szenarien der Mensch-Maschine-Interaktion sind möglich (nach [2]): [2] Szenarien modifiziert nach Gartner, 2019: „The Future of AI and the Gartner AI Hype Cycle“ Szenario 1: Die „Stabübergabe“: Ein Prozess wird in Einzelschritte heruntergebrochen, die je nach Eignung entweder von Menschen oder von einer Maschine übernommen werden. Szenario 2: Der Prozess wird durch die Maschine geführt, am Ende entscheidet jedoch ein Mensch, ob das Prozessresultat zur Anwendung gelangt. Szenario 3: Der Mensch treibt den Prozess, wird aber durch KI befähigt oder geschult (KI zeigt beispielsweise Möglichkeiten auf, liefert Erkenntnisse aus Statistiken etc.). Szenario 4: Iterative Prozessschleifen, in der sich Mensch und KI abwechseln. Eher ein Spezialfall, welcher aber heute schon z. B. im Bereich Architektur und Kunst mit generativen Algorithmen (diese erzeugen Inhalte, wie z. B. Bilder oder Architekturskizzen) zur Anwendung gelangt. Szenarien für KI-Lösungen am Beispiel personalisierter Anlageempfehlungen Betrachten wir konkrete Umsetzungsbeispiele dieser Szenarien in der Praxis. Hierzu wählen wir das Thema „personalisierte Anlageempfehlungen“, welches wir für verschiedene Privatbanken in unterschiedlichen Ausprägungen implementiert haben. Alle KI-Anwendungsfälle haben gemeinsam, dass ein menschlicher Kundenberater („Relationship Manager“, RM) seinen Kunden maßgeschneiderte Anlageempfehlungen geben soll. Eine erste Umsetzungsvariante dieses Themas besteht darin, dass ein Algorithmus (kein Machine Learning, sondern regelbasiert, gehört damit auch zur Künstlichen Intelligenz) die Portfolios der Kunden nach Risikokriterien überwacht und Positionen darin identifiziert, die verkauft werden sollen. Die so freiwerdenden Cashbeträge sollen reinvestiert werden – die Wahl der Anlageinstrumente, die dem Kunden vorgeschlagen werden, trifft der Relationship Manager. Damit haben wir hier eine Umsetzung des obigen Szenarios 1, der Stabübergabe. In einem zweiten Fall haben wir ein Empfehlungssystem implementiert: Research-Mitarbeiter der Bank verfassen fortlaufend sogenannte „Investment Stories“, d. h. Berichte zu möglichen Instrumenten für Investments zu einem bestimmten aktuellen Thema, z. B. ökologisch nachhaltige Investitionen. Es wurde nun ein Algorithmus entwickelt, der dem Relationship Manager automatisch Listen von Kunden liefert, die potenziell an einer entsprechenden Investment Story interessiert sind. Der RM entscheidet letztendlich, ob er einem Kunden die Story wirklich als Empfehlung weiterleitet. Damit haben wir obiges Szenario 2 umgesetzt: der Algorithmus übernimmt den Empfehlungsprozess, der Mensch entscheidet an dessen Ende, ob das Resultat zur Anwendung kommt oder nicht. Das Thema kann aber auch im Szenario 3 umgesetzt werden. Dies bedeutet, dass der RM den Empfehlungsprozess führt, dabei aber von Künstlicher Intelligenz unterstützt wird, indem er von entsprechenden Systemen ständig aktuelle analytische Auswertungen zu den Investitionsvorlieben verschiedener Kundengruppen oder die Erfolgsstatistiken zu zurückliegenden Empfehlungen jedes einzelnen Kunden erhält. Die Beispiele zeigen, dass ein bestimmtes Ziel – hier: personalisierte Anlagenempfehlungen abgeben – in verschiedenen Anwendungsfällen und in verschiedenen Szenarien der Mensch-Maschine-Interaktion realisiert werden kann. Um die für eine bestimmte Anwendungssituation optimale Variante zu identifizieren, empfehlen wir die Durchführung einer initialen Projektphase – wir nennen diese „Vision & Scope“ – in der das Ziel und die Randbedingungen des KI-Anwendungsfalles klar definiert werden. Zusammen mit den vorgesehenen Nutzern evaluieren wir verschiedene Ausprägungen und Anwendungsszenarien. Bei diesen Aufgaben sind die Methoden des „Design Thinking“ sehr nützlich. Die Vision-&-Scope-Phase sollte von einem erfahrenen KI-Experten moderiert werden, der imstande ist, die Brücke zwischen Technologie, Business und menschlichen Anwendern zu schlagen. Es ist auch seine Aufgabe, das Vertrauen in die entstehende Lösung aufzubauen – womit wir bei unserem nächsten Schwerpunktthema angelangt sind. Ein entscheidender Erfolgsfaktor: Vertrauen in KI-Lösungen aufbauen In unseren Beratungs- und Umsetzungsprojekten stellen wir fest, dass der Aufbau von Vertrauen in KI-Lösungen zunehmend zum Erfolgsfaktor wird. Er ist maßgebend dafür, ob eine Lösung in einem Unternehmen flächendeckend Wert generieren kann. Speziell in Projekten, in denen es darum geht, ganze Firmen zu datengetriebenen Organisationen zu entwickeln, sollte diesem Punkt genügend Aufmerksamkeit geschenkt werden. Das Vertrauen in KI-Lösungen sollte auf zwei Pfaden aufgebaut werden. Im ersten Pfad geht es darum, die Lösung bzw. das zu entwickelnde System oder Tool so zu gestalten, dass dessen Benutzung Vertrauen generiert. Als übergeordnete „Design-Leitlinie“ kann die von der EU herausgegebene Richtlinie zum ethischen Einsatz von KI dienen [3]. Sie macht generelle Aussagen zu ethischen Anforderungen an KI bezüglich: Menschlicher Kontrolle über KI Zuverlässigkeit und Sicherheit Datenschutz Transparenz Fairness Sozialem und ökologischem Wohl Verantwortung. Der zweite Hebel, um Vertrauen in KI zu bilden, sind die Umsetzungsprojekte. Aus unseren „Best Practices“ skizzieren wir hier die, nebst dem bereits erläuterten Einsatz des brückenbildenden KI-Experten, wichtigsten Punkte: Eine zu Beginn der Umsetzungsprojekte unternehmensweit kommunizierte Vision soll das „Warum“ erklären: Warum will das Unternehmen KI einsetzen? In dieser Vision können und sollen auch potenzielle Widerstände und Ängste der Mitarbeiter antizipiert werden. Ein anderes wichtiges Element ist die Schulung: Unternehmen, die KI neu einsetzen, sollten sukzessive Ihre Mitarbeiter schulen, damit unternehmensweit ein Verständnis für Möglichkeiten aber auch Grenzen des Einsatzes von KI entwickelt werden kann. Unser Standard-Setup ist hierfür ein agil arbeitendes, interdisziplinär besetztes Entwicklungsteam. Zu den wichtigsten Maßnahmen zählt für uns aber die gemeinsame Entwicklung der Lösung mit unternehmensinternen „Kunden“, den Anwendern. Wir binden sowohl Nutzervertreter wie auch das Business von Anfang an in das Lösungsdesign und die Entwicklung mit ein, was die Akzeptanz der Lösung maßgeblich fördert. Fazit Nebst technologischen und geschäftlichen Aspekten sollte der Mensch in den Fokus von KI-Umsetzungsprojekten gerückt werden. Die Berücksichtigung der Themen „optimale Kombination der Stärken von Mensch und Maschine“ sowie „Aufbau von Vertrauen in Künstliche Intelligenz“ stellen wichtige Erfolgsfaktoren für Umsetzungsprojekte von KI-Anwendungsfällen zur Verbesserung des Kundenerlebnisses im Banking dar. [1] Digital Banking Report, February 2020. The Financial Brand [2] Gartner, 2019: “The Future of AI and the Gartner AI Hype Cycle” [3] EU guidelines on ethics in artificial intelligence: Context and implementation. European Parliamentary Research Service (EPRS), Sept. 2019 Ansprechpartner für die Schweiz Philipp Morf Head AI & Data Practice Dr. Philipp Morf ist promovierter Ingenieur ETH und leitet seit 2015 Bereich Artificial Intelligence (AI) und Machine Learning (ML) Lösungen bei Zühlke. Als Director des AI Solutions Centers konzipiert er effektive AI/ML Anwendungen und ist ein gefragter Redner zu AI-Themen im Bereich Anwendungen und Anwendungstrends. Mit seiner langjährigen Erfahrung als Berater im Bereich Innovationsmanagement schlägt er die Brücke zwischen Business, Technologie und den Menschen als Anwender von AI. Kontakt philipp.morf@zuehlke.com +41 43 216 6588 Schreiben Sie uns eine Nachricht You must have JavaScript enabled to use this form. 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