Industrie

KI in der Produktentwicklung: Revolution oder Risiko?

Welche Chancen bietet der Einsatz von KI im Entwicklungs- und Designprozess von Produkten? Und wo liegen mögliche Risiken. Sieben Zühlke-Designer:innen wagen den Selbsttest – mit überraschenden Ergebnissen.

6 Minuten Lesezeit
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Die Auswirkungen generativer Künstlicher Intelligenz (KI) auf unseren Alltag sind bereits kurz nach ihrem Aufkommen deutlich spürbar geworden. Die Bedeutung dieser Technologie wird weiter rasant zunehmen, wie wir in unserem Blogpost “KI-Trends: wie Sie sich auf KI-basiertes Geschäft vorbereiten” zeigen.  

Auch im Produktdesign und in der Produktentwicklung steht der Einsatz generativer KI im Fokus zahlreicher Diskussionen. Das Potenzial, Entwicklungsprozesse zu beschleunigen und innovative Lösungen zu fördern steht Bedenken bezüglich Qualität und ethischer Verantwortung gegenüber. Wir haben einen praktischen Selbstversuch gewagt, um herauszufinden, was überwiegt: Nutzen oder Risiko. 

Die Ergebnisse bieten aufschlussreiche Einblicke in die Chancen und Herausforderungen von KI in der Produktentwicklung und geben Antworten auf Fragen wie: Inwiefern beeinflusst Künstliche Intelligenz den Entwicklungs- und Designprozess von Produkten? Welche Potenziale hinsichtlich Geschwindigkeit, Effizienz, Qualität oder Kreativität eröffnen sich? Und wo liegen mögliche Risiken? 

Lesen Sie weiter und erfahren Sie unsere Antworten. 

Praxistest “KI in der Produktentwicklung”

In unserem Selbsttest erhielten sieben Designer:innen und Ingenieur:innen ein praxisnahes Designbriefing für die Erstellung eines Produktkonzepts mit dazugehöriger Value Proposition. Das Briefing basierte auf einem Real-Life-Szenario eines Kunden, um dem Test maximale Aussagekraft zu verleihen. Neben der eigentlichen Aufgabe, das Industrial Design für die erste Generation Kopfhörer für einen Kunden gemäß seiner Design-Guidelines zu entwickeln, enthielt das Briefing genaue Angaben zu Technologie, Zielgruppe, Personas, Anforderungen und dem zeitlichen Aufwand. 

Sechs Teilnehmende hatten Zugang zu verschiedenen KI-Bots, jedoch mit einer stark begrenzten Bearbeitungszeit von einer Stunde. Der siebte Teilnehmer verzichtete auf KI-Bots, hatte jedoch wesentlich mehr Zeit zur Verfügung, um den traditionellen Weg zu gehen.  

«Die von der KI generierten Produktkonzepte waren auf den ersten Blick innovativ und überzeugend. Aber auf Detailebene zeigen sich textliche und visuelle Unstimmigkeiten.» 

Die ersten Resultate: erstaunlich. Die KI-gestützten und innerhalb von nur 60 min entwickelten Konzepte inklusive Value Proposition wirkten auf den ersten Blick innovativ und überzeugend: Personen und Kopfhörer werden in einer hyperrealistischen Visualisierung gezeigt, sind stimmig ausgeleuchtet und realitätsnah texturiert. Von einer stilistischen oder inhaltlichen Homogenisierung keine Spur. 

KI-basierte vs. traditionelle Produktentwicklung: Der Teufel liegt im Detail

Doch bei genauerer Betrachtung traten textliche und visuelle Unstimmigkeiten auf. Relativ offensichtlich sind noch die falschen Größenverhältnisse zwischen Kopf und Kopfhörer in Visualisierung 1. 

Tiefer ins Detail geht die Darstellung der Augen: Die Pupille ist nicht zentriert, was den Blick sehr merkwürdig erscheinen lässt. Betrachten wir die Detailabbildung rechts unten, fällt auf: Der Bügel fehlt, sodass die Darstellung so keinen Sinn macht.  

auf der linken Seite eine KI-erstellte Frau mit Kopfhörern und auf der rechten Seite eine Abbildung der Kopfhörer mit Beschreibung der Funktionen und Teile. Visualisierung 1: Erste Visualisierungen wirken auf den ersten Blick überzeugend, haben aber noch Schwächen in den Details

Das zeigt einmal mehr: KI allein kann die langjährige Expertise und das Feingefühl eines erfahrenen Designers nicht ersetzen, aber unterstützen. Im Test wurden die spezifischen Anforderungen des Kunden mit dem traditionellen Ansatz besser erfüllt, um das Produkt in die bestehende Produktwelt des Kunden einzufügen, die Markenwerte in das Produkt zu übersetzen und iterative Verbesserungen am Produkt vorzunehmen. 

Key Learnings zum Einsatz von KI in der Produktentwicklung

KI könnte in der Produktentwicklung in Zukunft unverzichtbar sein. Um einen verantwortungsvollen Umgang zu gewährleisten, müssen jedoch einige wichtige Aspekte beachtet werden, wie unser Feldtest gezeigt hat:

  • Reduzierte Aufwände und schnellere Insights

    KI liefert in atemberaubendem Tempo Antworten zu Fragen bezüglich Nutzenden und Nutzungsumgebung. Voraussetzung für aussagekräftige und wertvolle Ergebnisse ist jedoch zugängliches und zuverlässiges Material (Datenqualität). Und auch dann ist eine manuelle Prüfung der Daten immer unerlässlich, denn Falschinformationen oder falsch interpretierte Informationen können zu falschen und irreführenden Ergebnissen führen.  

    Mehr zum Thema  “Verantwortungsvolle KI” erfahren Sie im Blogpost "Responsible AI: Entwicklung ethischer KI-Anwendungen”.  

    Fest steht jedoch: Mit den richtigen Daten ermöglichen KI-basierte Insights eine enorme Beschleunigung der Recherche in der Produktentwicklung bzw. im Produktdesign und sind so ein wertvolles Tool zur Steigerung von Geschwindigkeit und Effizienz. 

  • Vorhersage von Trends

    Durch das Scannen und Analysieren von dokumentierten Verhaltensmustern können KI-Tools Trends und Tendenzen bzgl. des zukünftigen Verhaltens von Nutzenden  identifizieren, die als Inspiration dienen und das Produkt hinsichtlich Nutzerfreundlichkeit und User Experience optimieren können. Das kann sich wesentlich auf die positive Akzeptanz des Produktes am Markt und somit auf den Markterfolg auswirken. 

  • Generierung von innovativen Ideen und Denkanstößen

    KI in der Produktentwicklung ermöglicht die Generierung von innovativen Ideen oder Denkanstößen in großen Mengen im Rekordtempo. Wie bei generativer KI im Allgemeinen, zeigte unser Test auch hier: Die Qualität der Ideen hängt stark von den eingegebenen Prompts ab. Die Ergebnisse sind dann am zielführendsten, wenn die Informationen nicht komplett durch KI generiert werden, sondern durch gezielte Eingabe von einer Fachperson gestartet und kontrolliert werden. 

    Die Geschwindigkeit und die Menge der verarbeiteten Informationen und der damit möglichen Ideen sind unvorstellbar und so entstehen schnell viele innovative Ansätze. Für uns zeigt dies einmal mehr: KI ist nicht die Lösung, sondern ein Werkzeug, das unsere Arbeit deutlich effizienter macht.   

  • Mehr Tempo in der Visualisierung von Ideen

    Die Geschwindigkeit, mit der generative KI in der Produktentwicklung überzeugende Visualisierungen liefert, ist beeindruckend: In Sekundenschnelle werden Produkte fotorealistisch inszeniert. Es scheint, dass weder Produktvisualisierungen noch Fotografien jemals wieder notwendig sind. Der Schein trügt jedoch. 

    Im Test wurde schnell klar: Die iterative Bearbeitung und die detailgetreue Ausführung der Ideen sind äußerst schwierig. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass erste Renderings und Skizzen zur Erstellung von Stimmungen und Visionen gut funktionieren und damit ein idealer Ausgangspunkt sind, darüber hinaus wird es jedoch dünn. Die Erstellung von finalen Renderings oder Fotografien durch Designer kann nicht durch KI-generierte Bilder in derselben Qualität ersetzt werden, auch hier liegt der Schlüssel in der optimalen Zusammenarbeit von Mensch und KI. 

    on the left hand-side a woman with white headphones, on the right hand-side a man with black headphones Visualisation 2: AI delivers first realistic visualisations in seconds
  • Schneller und kosteneffizienter Prozess

    KI in der Produktentwicklung hat das Potenzial, Prozesse schneller und damit kosteneffizienter zu machen. Allerdings bedarf es dafür noch weiterer Optimierung der Technologie, um den Gesamtprozess schneller und effizienter zu machen. In bestimmten Teilprozessen ist schon heute eine deutlich beschleunigende Wirkung nachweisbar, über den gesamten Design- und Entwicklungsprozess hinweg ist diese zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht greifbar. 

    «Die Kooperation von Mensch und KI birgt enormes Potenzial für den Design- und Entwicklungsprozess. Dabei ist der richtige Mix aus KI und menschlichem Know-how entscheidend für erfolgreiche Produktinnovationen in der Zukunft.» 

KI in der Produktentwicklung: Der Mix macht die Musik

Unser Selbsttest verdeutlicht einmal mehr: Künstliche Intelligenz wird den traditionellen Entwicklungsprozess von Produkten nicht ersetzen. KI ist ein Support-Tool, um diesen zu verbessern. Es ist die Kombination aus KI, guten Daten, der fachkundigen Bedienung und der kompetenten Beurteilung und Weiterverarbeitung der Outputs, die es Designer:innen und Produktentwickler:innen ermöglicht, Prozesse zu optimieren oder ggf. ganze Aufgaben auszulagern. So können z. B. einfache, repetitive und zeitintensive Arbeiten mit Hilfe von KI automatisiert und schneller erledigt werden. Im Bereich datenbasierte Research beispielsweise ist KI dem traditionellen Weg schon jetzt deutlich überlegen. 

Die Kooperation von Mensch und KI birgt enormes Potenzial, Design- und Entwicklungsprozesse zu skalieren und zu beschleunigen, Ressourcen und Kosten einzusparen, Kreativität zu fördern und den Kundenfokus von Produkten zu steigern. Der richtige Mix aus KI und menschlichem Know-how ist entscheidend für erfolgreiche Produktentwicklung in der Zukunft. 

Zühlke verfügt über langjährige Erfahrung in den Bereichen Industrial Design und Produktentwicklung. Gemeinsam mit unseren Kunden nutzen wir neue Technologien und Trends, um innovative Produkte und Lösungen zu realisieren. Sie denken über die Entwicklung eines neuen Produkts nach oder benötigen Hilfe bei einem bestehenden Projekt? Zögern Sie nicht, sich an unser Team zu wenden. Wir freuen uns darauf, von Ihnen zu hören. 

Ansprechpartner für die Schweiz

Philipp Morf

Head AI & Data Practice

Dr. Philipp Morf ist promovierter Ingenieur ETH und leitet seit 2015 Bereich Artificial Intelligence (AI) und Machine Learning (ML) Lösungen bei Zühlke. Als Director des AI Solutions Centers konzipiert er effektive AI/ML Anwendungen und ist ein gefragter Redner zu AI-Themen im Bereich Anwendungen und Anwendungstrends. Mit seiner langjährigen Erfahrung als Berater im Bereich Innovationsmanagement schlägt er die Brücke zwischen Business, Technologie und den Menschen als Anwender von AI.

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