6 Minuten Lesezeit Mit Insights von Irfan Suleman Former Head of Digital Experience Es gibt nur wenige Szenarien, in denen die virtuelle Welt der physischen überlegen ist. Aber möchten Sie z. B. eine milliardenschwere Maschine auf Fehler prüfen, ohne sie zu beschädigen oder die Bedienenden zu verletzen. Oder Sie möchten bestimmte Variablen in ihrer Betriebsumgebung testen, ohne den laufenden Betrieb zu unterbrechen, dann benötigen Sie ein Äquivalent der Maschine oder Umgebung, das der realen Vorlage zu 100 Prozent entspricht. Die Idee an sich ist nicht neu: Die NASA hat es während des Apollo-Raumfahrtprogramm bereits in den 1960er Jahren vorgemacht. Mit physischen Modellen ihrer Raumfähren konnte sie auf der Erde Probleme simulieren und Lösungen finden. Dieses Modell-Konzept gibt es seitdem in vielen Bereichen – mittlerweile wird es aber eher im digitalen als im physischen Bereich angewendet. Seit 2010 tragen diese Modelle daher den Namen "Digital Twin“. Solche virtuellen Modelle bilden physische Objekte oder Systeme praktisch identisch ab, sodass Anwender virtuell Szenarien visualisieren und Simulationen vornehmen können, ohne das physische Objekt oder System selbst anzutasten. Staatliche Stellen weltweit nutzen digitale Zwillinge für Aufgaben wie Stadtplanung, Verkehrsmanagement oder Brandschutz. Der digitale Zwilling von Singapur gilt mit über 100 TB Daten und Millionen Bildern, die alles vom Baumbestand des Stadtstaats bis zu seiner Infrastruktur und seinen Einzelgebäuden nachbilden, als eines der bisher modernsten virtuellen 3D-Modelle weltweit. Dieser digitale Zwilling erlaubt es den Behörden, Probleme besser nachzuvollziehen und solide Strategien dafür zu entwickeln. Aber auch Unternehmen nutzen die Technologie – unter anderem, um Prozesse zu optimieren, Produktivität und Effizienz zu steigern und die Entscheidungsfindung zu verbessern. Zwischen 2020 und 2025 werden die Industriebereiche Maschinenbau, Automobilbau und Luftfahrt voraussichtlich das stärkste Wachstum auf dem Digital-Twin-Markt verzeichnen. Angesichts des erwarteten jährlichen Gesamtzuwachses von 40,6 % (von 8,88 Mrd. USD im Jahr 2022 auf 96,49 Mrd. USD im Jahr 2029) des globalen Markts für digitale Zwillinge ist diese Technologie zudem einer der interessantesten Trends der nächsten Jahre. Die Technologie hinter dem digitalen Zwilling David Gelernter soll die Idee 1991 in Mirror Worlds eingeführt haben. Nachweislich zum ersten Mal eingesetzt wurde sie jedoch 2002 von Dr. Michael Grieves an der University of Michigan. Den Begriff „digitaler Zwilling“ prägte 2010 schließlich John Vickers von der NASA. Vier Kerntechnologien machen digitale Zwillinge überhaupt erst möglich: Internet der Dinge (Internet of Things, IoT): Vernetzte Sensoren ermöglichen das Vermessen der betreffenden physischen Objekte. Cloud: Die Cloud ermöglicht Echtzeitdaten. Künstliche Intelligenz (KI): Mit KI lassen sich aus großen Datenmengen umfassende Erkenntnisse gewinnen. Extended Reality (auch XR, ein übergeordneter Begriff für Augmented Reality, Virtual Reality und weitere immersive Technologien): So lässt sich eine wirklich interaktive, virtuelle Umgebung entwickeln. Das modellierte Objekt oder System wird mit einer Reihe vernetzter Sensoren ausgestattet. Die erfassten Daten werden verarbeitet und in den digitalen Zwilling übernommen, der sich dann für Simulationen verwenden, auf Leistungsprobleme überwachen und zur Entwicklung möglicher Verbesserungen analysieren lässt. Die gewonnenen Erkenntnisse lassen sich anschließend auf das Originalobjekt anwenden. Immobilien-, Pharma oder Retailbranche: digitale Zwillinge in der Wirtschaft Unternehmen können aus Basis digitaler Zwillinge Kosten senken, die Zusammenarbeit optimieren und den Bedarf an Personal und manueller Wartung in intelligenten Gebäuden und Produktionsumgebungen reduzieren. EY berichtet mit Blick auf die Immobilienbranche, dass sich mit digitalen Zwillingen die Betriebskosten um bis zu 35 % senken, die Treibhausgasemissionen reduzieren, der Nutzerkomfort erhöhen und gesündere Arbeitsplätze einrichten lassen. Techniker, Bauunternehmer und Immobilienverwalter können damit alle Aspekte eines Gebäudes simulieren, planen und optimieren und Fortschrittsüberwachung, Ressourcenplanung und Qualitätsprüfung automatisieren. Gebäudemanagement und Bauwesen können mit dieser Technologie in ähnlicher Weise die Dokumentation sowie die Prüfung und Überwachung der Leistung verbessern. Auf dem Temasek-Polytechnic-Campus ist zum Beispiel die Bereitstellung eines digitalen Zwillings geplant, der Fehler lokalisieren, Risiken antizipieren und Gebäudebedingungen prognostizieren soll. Diese Aufgaben erfüllt er in Form einer digital integrierten Plattform für Gebäudemanagementservices mit 3.000 Sensoren, die Echtzeitdaten für die digitale Kopie bereitstellen. Im Einzelhandel kann die Technologie durch höhere Sicherheit, bessere Standortplanung und optimiertes Energiemanagement das Kundenerlebnis verbessern. Darüber hinaus können Einzelhändler die Interaktion verschiedener Flächenlayouts, Customer Journeys, Zeitpläne und Teambewegungen analysieren. Die Pharmaindustrie nutzt die Technologie, um Fertigungsprozesse zu simulieren, zu testen und zu optimieren. Siemens, Atos und GlaxoSmithKline haben beispielsweise einen digitalen Zwilling zur Modellierung eines pharmazeutischen Prozesses entwickelt, der die Markteinführung beschleunigt, die Kosten durch weniger Ausschuss um 20 % senkt und die Produktmargen durch eine höhere Produktqualität um bis zu 10 % steigert. In anderen Bereichen der industriellen Fertigung sorgen digitale Zwillinge mit Überwachung und Datenerfassung in Echtzeit und dem Vergleich von Ist- und Soll-Leistung für optimale Maschinenbetriebsbedingungen. Smarte und nachhaltige Städte schaffen In einem größeren Maßstab lassen sich digitale Zwillinge außerdem umfassend bei der Planung intelligenter Städte einsetzen, um das Leben in Städten nachhaltiger zu gestalten. Städte wie Singapur, Paris und Helsinki nutzen die Technologie für die Planung der intelligenten Stadt. In Singapur sind Technologien wie diese von zentraler Bedeutung, um die „Smart Nation“-Vision umzusetzen – und im dritten Jahr in Folge vor Zürich und Oslo den Status der intelligentesten Stadt der Welt zu verteidigen. Die 73 Mio. SGD teure digitale Kopie des Landes wurde als zentrale Plattform für die behördliche Strategieentwicklung konzipiert. Darüber hinaus hat die Building and Construction Authority einen Plan der Integrated Digital Delivery (IDD) entwickelt, um das Planungs- und Bauwesen technologiebasiert zu optimieren. Die IDD nutzt die Bauwerksdatenmodellierung (Building Information Modelling, BIM). Hierbei handelt es sich um einen Softwaremodellierungsprozess und international anerkannten Standard, der von Architekten, Entwicklern, Behörden, Planern und Regulierern genutzt wird. Das Modell gibt vom Entwurf über den Betrieb bis zur Instandhaltung Aufschluss über eine Reihe an Optimierungsmöglichkeiten. Echtzeiteinblicke in die Leistung einer Struktur können langfristig die vorausschauende Instandhaltung (Predictive Maintenance) erleichtern und generell zu mehr Nachhaltigkeit beitragen. Immersive Erfahrungen mit integrierten, virtuellen 3D-Touren In Form einer integrierten, immersiven virtuellen Tour wird mit der Technologie des digitalen Zwillings das volle Potenzial eines Raumbereichs über den gesamten Lebenszyklus hinweg erlebbar, nachvollziehbar und vorstellbar. Anbieter wie Matterport unterstützen Unternehmen bei der Entwicklung virtueller 3D-Touren auf Basis eines digitalen Zwillings, mit denen ihre Kunden Immobilien besser konzipieren, bauen, betreiben, bewerben und instand halten können. Unternehmen, die die 3D-Komplett-Datenplattform von Matterport nutzen, konnten Entwurfsarbeiten 50 % schneller abschließen, die Standorterhebungskosten um 50 % senken und die Zeit einer Immobilie auf dem Markt um 50 % verkürzen. 95 % der Interessenten holen mit höherer Wahrscheinlichkeit Informationen zu einer Immobilie ein, zu der es eine virtuelle 3D-Tour gibt. Virtuelle Office Tour bei Zühlke Sehen Sie sich eine virtuelle Tour unserer Räume in der Schweiz und in Singapur an, die mit der Technologie für digitale Zwillinge von Matterport erstellt wurde. Start virtual tour Was bringt die Zukunft der digitalen Zwillinge? Immersive, integrierte virtuelle Touren, intelligente Städte, Gebäude, Fabriken und Einzelhandelsgeschäfte sowie intelligentes Immobilien- und Gebäudemanagement sind nur einige Anwendungsbereiche für digitale Zwillinge. Mit der Weiterentwicklung von Technologien wie KI, IoT, Extended Reality und der Cloud werden insbesondere im Metaverse weitere Anwendungsmöglichkeiten für digitale Zwillinge hinzukommen. Richtig um- und eingesetzt, profitieren öffentliche und private Hand von den Vorteilen und Kunden von einer besseren Experience. Sie möchten mehr darüber erfahren, wie Ihr Unternehmen digitale Zwillinge und andere innovative Technologien nutzen kann? Dann sprechen Sie mit unseren Experten.
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