7 Minuten Lesezeit Mit Insights von Ulrike Schirmer Senior Consulting Manager ulrike.schirmer@zuehlke.com Im Blogpost “Monetarisierung digitaler Services in der Industrie: Verwandeln Sie digitale Euphorie in Umsatz!,” haben wir gezeigt, wie Sie digitale Services in der Industrie erfolgreich monetarisieren. Die Key Message: Was simpel klingt, stellt viele Industrieunternehmen in der Praxis vor scheinbar unlösbare Herausforderungen. Nachfolgend möchte ich daher meine persönlichen Erfahrungen mit dem VDMA-Monetarisierungs-Canvas (MTC) teilen, der bei der Bewertung des Monetarisierungspotenzials eines digitalen Services unterstützen kann. Dabei stehen drei Fragen im Vordergrund: Was ist das für ein Canvas? Wie geht man in der Praxis damit um? Und was bringt er? Monetarisierung digitaler Services: Braucht es wirklich noch einen weiteren Canvas? Wieso scheitern so viele etablierte Industrieunternehmen an der gewinnbringenden Einführung digitaler Services? Was genau ist an „digital“ so anders? Man kann ein digitales Produkt nicht anfassen, aber ansonst gibt es doch keine großen Unterschiede? Man hat eine Idee, diese wird ausgearbeitet, hergestellt/entwickelt, beworben und verkauft. Oder eben auch nicht. In der klassischen Maschinen- und Produktentwicklung ist der weitestgehend sequenzielle Entwicklungsprozess vorherrschend. Er wird von den meisten etablierten Industrieunternehmen exzellent beherrscht. Sie stellen die zu erwartenden Kosten für die Entwicklung den zu erwartenden Einnahmen durch festgelegte Preise gegenüber, und können so durch eine dedizierte ROI-Betrachtungen gut abschätzen, ob bzw. wann sich eine Produktidee für sie rechnet. Dieses Vorgehen kann jedoch nicht einfach so auf digitale Services übertragen werden. Zum einen sind die genauen Eigenschaften und Ausprägungen eines ‘digitalen Produkts’ zu Beginn der Entwicklung oft noch gar nicht klar. Es gibt zwar eine Idee, welcher Service angeboten werden soll. Aber die Definition der genauen Inhalte und was es dafür an digitalen, technischen und organisatorischen Lösungen braucht, ist Teil einer spannenden, aber auch intensiven Reise. So können die ‘Herstellkosten’ des Services – also die initialen Entwicklungskosten – noch gar nicht kalkuliert werden. Vor allem aber stellen sie nur einen Bruchteil der Gesamtkosten dar. Denn digitale Lösungen können ihren Wert nur im Betrieb entfalten. Und für eben diesen Betrieb fallen laufende Kosten an, z. B. in Form von Hosting-Gebühren, kontinuierlicher Weiterentwicklung der Lösung, erforderlichen Security Updates etc. Bei dieser Problemstellung knüpft der Monetarisierungs-Canvas des VDMA (Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V.) an (VDMA-Login benötigt), in dem er die relevanten Aspekte rund um das Monetarisierungspotenzial von digitalen Geschäftsideen sammelt und strukturiert. Er bietet somit eine geführte Hilfestellung, um sich im Digitalisierungs-Dschungel zu orientieren und die richtigen Fragestellungen zum richtigen Zeitpunkt zu adressieren. Dabei gliedert er die zu berücksichtigende Fragestellungen entlang zweier Dimensionen: qualitativ vs. quantitativ sowie interne Perspektive vs. Kundenperspektive. Von der Idee zum erfolgreichen Service: Wie setze ich den Canvas ein? Wir von Zühlke nutzen den MTC meist im Rahmen von interaktiven Workshops mit Produkt- oder Projektteams, die noch unsicher sind, wie sie Ideen rund um digitale oder hybride Services und Offerings evaluieren können. Der erste Schritt ist, im Team ein gemeinsames Verständnis des Business Case zu erarbeiten. Sehr häufig treffen wir in Projekten auf Situationen, in denen alle Beteiligten über das gleiche sprechen, aber nicht das gleiche meinen. Hier hilft der externe Blick enorm, um die Divergenzen zu erkennen, zu benennen und dann das Team zu unterstützen zu einem echten gemeinsamen Verständnis zu kommen. Häufig kommen im Rahmen dieser Diskussion viele Hypothesen zu Tage, die bewusst oder – sehr viel häufiger – unbewusst aufgestellt wurden. Zum gemeinsamen Verständnis des Business Case gehört es auch, diese Hypothesen transparent für alle zu machen, in dem sie gesammelt und bzgl. der Bedeutung für den Erfolg des Business Case bewertet werden. Ist dieses Fundament gelegt, kann abgeleitet werden, welcher Wertschöpfungs- bzw. Risiko-Transfer von den Kunden zum eigenen Unternehmen mit dem neuen digitalen Service stattfinden wird. Basierend darauf werden die Auswirkungen auf das eigene Unternehmen, den beim Kunden entstehenden Nutzen, aber auch Aspekte rund um Plattformen, Ökosysteme und Key-Partner abgeleitet und beleuchtet. Der Canvas hilft dabei, den roten Faden zu behalten und nach und nach alle relevanten Fragestellungen zur richtigen Zeit abzuklopfen. Aus diesen Überlegungen kann dann abgeleitet werden, wie ein Zahlungskonzept und die damit einhergehenden Umsatzströme aussehen sollten. Last but not least sollen KPIs abgeleitet werden, mit denen der Erfolg des Business Case gemessen werden soll. Am Ende des Workshops ist damit folgendes erreicht: Das gemeinsame Verständnis über den Business Case im Projekt-Team. Transparenz darüber, welche Aspekte für die Bewertung dieses digitalen Services betrachtet werden sollten. Identifikation von offenen Fragen und Hypothesen: Bzgl. welcher Fragestellungen besteht Klarheit und wo gibt es noch Unsicherheiten? Schaffung einer guten Ausgangslage für das Team, um die nächsten Schritte zu gehen. Monetarisierung in der Praxis: Persönliche Empfehlungen zum Einsatz des Canvas Nachfolgend möchte ich Ihnen meine persönlichen Erfahrungen und insbesondere Empfehlungen zum Einsatz des MTC in Projekten illustrieren. Erst durch einen iterativen Einsatz kann der Canvas seine volle Stärke entfalten Von der ersten Idee bis zu einem ausgereiften und voll etablierten digitalen Service ist es ein weiter Weg. Füllt man den Canvas in der Discovery-Phase für eine erste grobe Geschäftsidee aus, so weiß man in der Regel schnell, was man noch nicht weiß. Basierend darauf sollten Sie sich einen Plan machen, um die größten Unsicherheiten zu reduzieren, z. B. das Testen kritischer Hypothesen zum Kundennutzen durch Interviews mit potenziellen Kunden. Mit dem Ergebnis können die Einträge im Canvas dann überarbeitet werden. So nähern Sie sich sukzessive der monetären Bewertung des Business Case an. Der MTC unterstützt somit das Produktteam, abhängig von der Reife der Produktidee an den relevanten Fragestellungen zu arbeiten. Es hilft aber auch dabei, Transparenz zu schaffen, wann eine Geschäftsidee nicht weiterverfolgt werden sollte. Insbesondere zur Bewertung des letzten Punktes sollten die KPIs zur Bewertung des Potenzials so definiert werden, dass sie zur aktuellen Reifephase der Geschäftsidee passen. So sind KPIs, die die Reduzierung der Unsicherheit sichtbar machen, in der Discovery-Phase hilfreich. Wohingegen im laufenden Betrieb der Lösung die Erfolgsmessung im Vordergrund steht, z. B. in Form von aktiven Nutzern, der CHURN-Rate oder auch der Monthly-Return-Rate. Das Monetarisierungspotenzial ist wichtig, aber nicht alles Der Canvas unterstützt dabei, das Monetarisierungspotenzial (viability) einer Geschäftsidee zu bewerten. Das ist zwar enorm wichtig, aber längst nicht der alleinige Erfolgsbringer: Für den Erfolg der Idee sind die desirability und die feasibility ebenso wichtig. Neben dem MTC sollten daher auch weitere Tools bzw. Methodiken zur Anwendung kommen, um eben diese Aspekte zu analysieren. Vor oder spätestens nach der ersten Iteration mit dem Canvas sollte die desirability, z. B. über den Value Proposition Canvas, beleuchtet werden. Denn ohne klare Value Proposition steht die Bewertung des Kundennutzens im Rahmen des MTC auf sehr wackeligen Füßen. Und eben dieser Kundennutzen ist entscheidend für den Erfolg Ihrer Idee. 230907 viability infografik dt 1 1 daniel wohr Dem Kunden ist es egal, was die Lösung kostet. Er wird nur das zahlen, was sie ihm wert ist Der zwingend notwendige Mindset-Change von der klassischen Kostenkalkulation zum Value-Based-Pricing sollte nicht unterschätzt werden. Zum einen ist das Messen der Zahlungsbereitschaft der Kunden eine große Herausforderung. Zum anderen fühlt sich diese Art der Kalkulation häufig unsicherer an als das bekannte Cost-Based-Pricing. Diese gefühlte Unsicherheit muss die Organisation aushalten können und wollen. Erweitern Sie Ihre Perspektive über Ihre Kunden hinaus auf Plattformen, Ökosysteme und Key-Partner Die Kunden bzw. Nutzenden sind entscheidend für den Erfolg einer digitalen Lösung. Aber auch Partner, Ökosysteme und Plattformen dürfen nicht vernachlässigt werden. Hier empfiehlt sich eine Recherche, auf welchen bereits etablierten Plattformen der neue Service angeboten werden könnte. Welche Plattformen und Systeme werden in der Branche bereits von potenziellen Kunden verwendet? Lohnt sich eine Partnerschaft, um von bestehenden Ökosystemen zu profitieren oder gemeinsam neue Ökosysteme zu schaffen? Und wo ist Ihr Platz bzw. der Platz Ihrer Partner in diesen Ökosystemen? Nur wenn Sie diese Fragen beantworten, ist der Blick auf die Geschäftsidee komplett. Denn bei weitem nicht alle Nutzenden sind glücklich, wenn sie für die Nutzung eines digitalen Services noch ein weiteres System benötigen, oder sehen es als Vorteil, einen neuen Service völlig losgelöst von bestehenden Lösungen angeboten zu bekommen. Der Canvas in der Praxis: Die richtigen Fragen zur richtigen Zeit Der Einsatz des VDMA-Monetarisierungs-Canvas (MTC) bietet eine strukturierte Herangehensweise zur Bewertung des Monetarisierungspotenzials von digitalen Geschäftsideen. Er hilft Ihnen, bei der komplexen Definition und Entwicklung digitaler Lösungen iterativ vorzugehen und die richtigen Fragen zur richtigen Zeit entlang qualitativer und quantitativer sowie interner und externer Perspektiven zu stellen und zu beantworten. Richtig angewendet, unterstützt der Canvas also dabei, die Herausforderungen bei der Monetarisierung digitaler Services in der Industrie zu überwinden und die Lösungen zum Erfolg zu führen. Sie haben Fragen zu digitalen Services in der Industrie oder zur Anwendung des Canvas? Sprechen Sie uns gerne an, um den Canvas auch für Ihr Projekt nutzen zu können.
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