7 Minuten Lesezeit Mit Insights von Philipp Harrschar Executive Director Business Development philipp.harrschar@zuehlke.com Ob bessere Produkte bzw. Services, optimierte Prozesse oder überlegene Geschäftsmodelle – ohne kontinuierliche Innovation geht es nicht Doch Unternehmen sind sehr unterschiedlich erfolgreich darin, Innovationsprojekte durchzuführen Dieser Blogpost befasst sich mit fünf Bereichen, die eine bedeutende Rolle spielen, wenn es um Erfolg in Bezug auf Innovationen geht Ob es Fragen des Prozesses, des Budgets oder der Ideenbewertung sind: Im Rahmen von Innovationsprozessen und -projekten gibt es einige Stolperfallen, die dazu führen können, dass Vorhaben scheitern. Dabei ist schon viel gewonnen, wenn Verantwortliche in den wesentlichen Bereichen ein paar wichtige Grundentscheidungen treffen – und die richtige Haltung mitbringen. Der schwedische König Gustav II. Adolf beauftragte 1625 eine Produktinnovation, die ihm einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber seinem Wettbewerber, dem polnischen König Sigismund III., verschaffen sollte: die Galeone Vasa, ein fulminantes Schiff, um die Vorherrschaft in der Ostsee sicherzustellen. Der entscheidende Fehler in der Entwicklung und Produktion könnte einem gängigen Muster entsprechen. Einer Legende zufolge wurden fünf Monate nach dem Baubeginn vom König selbst neue Features gefordert: doppelt so viele Kanonen. Dies führte zu einer komplett veränderten Lagestabilität des Schiffes. Sogar ein Systemtest wurde durchgeführt: Der Testmanager und Flottenchef, Vizeadmiral Klas Fleming, lies 30 Matrosen von einer Seite zur anderen rennen, um die Stabilität des Schiffes zu testen. Die Produktinnovation Vasa überlebte 20 Minuten und sank circa ein Kilometer außerhalb von Stockholm. Innovation als Wettbewerbsvorsprung Innovation ist Treiber unserer Volkswirtschaft und fester Bestandteil unserer Geschäftswelt. In den vergangenen zehn Jahren durfte ich Innovationsprojekte in ganz unterschiedlichen Branchen begleiten. Dabei bewegen mich immer wieder dieselben Fragen: Worauf kommt es in der Praxis an? Wie kann man Fehler vermeiden? Welches sind die strategischen Weichenstellungen, die über Erfolg oder Misserfolg entscheiden? Als Innovation betrachte ich das Ziel, einen Wettbewerbsvorsprung zu erzielen. Dass ein solcher immer nur temporär ist, lässt sich aus dem Beispiel oben einfach ableiten. Heute hätte die Vasa, selbst bei erfolgreicher Umsetzung, keinen Wert mehr. Ohne kontinuierliche Investition geht es also nicht. Wettbewerbsvorsprung drückt sich insbesondere aus als besseres Produkt, besserer Service, bessere Prozesse oder überlegenes Geschäftsmodell – es geht um Effizienz, Kostensenkung, Schnelligkeit, Gewinnoptimierung oder eine Steigerung des Mehrwerts für die Kunden. Im Zeitalter von Digitalisierung verbergen sich dahinter Kernsysteme für Versicherer, Kundenportale für Bankkunden, digitale Lösungen für Patienten, medizinische Geräte, Konsumgüter und dergleichen mehr. Im Folgenden möchte ich fünf Bereiche ansprechen, die eine bedeutende Rolle spielen, wenn es um Erfolg in Bezug auf Innovationen geht – und in denen es gleichzeitig einige Stolperfallen gibt. 1. Bewusst den richtigen Ansatz wählen Eine wichtige Weichenstellung für Innovationsprojekte findet bereits vor ihrem Start statt: Es geht um die Motivation bzw. Zielsetzung. Bei Geschäftsmodellinnovation besteht das Ziel darin, dem Wettbewerb durch ein besseres Geschäftsmodell voraus zu sein. Das aus meiner Sicht bedeutendste Beispiel derzeit sind Plattform-Geschäftsmodelle. Die ermöglichen es Unternehmen, an Transaktionen zu verdienen, ohne dafür die Produkte zu produzieren oder zu besitzen. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich – parallel zur Reife des Internets – als weiterer Einstieg die benutzerzentrierte Innovation etabliert. Hier ist das Ziel, Mehrwert für Nutzer bzw. Kunden zu generieren. So werden die eigenen Produkte bzw. Services attraktiver als die des Wettbewerbs. Die bekannteste Methode bei der benutzerzentrierten Innovation ist sicherlich das Design Thinking. Wer über Geschäftsmodell-Innovation oder über benutzerzentrierte Innovation einsteigt, macht in der Regel keine grundlegenden Fehler zu Beginn eines Innovationsprojekts. Wer aber Innovation um der Innovation willen betreibt, ist höchstens zufällig erfolgreich. 2. Fokus auf den Mehrwert der Technologie legen Ebenso falsch wäre es, neue, spektakuläre Technologien als wichtigste Motivation für Innovationsprojekte zu wählen. Natürlich spielen Technologien heutzutage in Bezug auf Innovationen eine entscheidende Rolle. Abenteuerlich ist aber oft die Art und Weise, wie mit neuen Technologien umgegangen wird. Dies wurde am Beispiel Blockchain besonders deutlich, als die halbe Nation ausgezogen ist, um die nächste Killerapplikation zu suchen und nicht zu finden. Ein großer Fehler besteht darin, dass man für einen Anwendungsfall eine neue erfolgsversprechende Technologie mit einer bereits bestehenden vergleicht. So wird die neue Idee schnell im Keim erstickt mit dem Argument: „Mit der existierenden Technologie XY geht das aber besser und schneller“. Ich empfehle folgende Grundregel: Wer eine neue, bahnbrechende Anwendung („Killerapplikation“) für eine neue Technologie sucht, muss sich unbedingt auf den Mehrwert einer Technologie für das Business konzentrieren und nicht auf deren technische Eigenschaften. Blockchain-basierte-Systeme ermöglichen beispielsweise den Verbund von gleichberechtigten Partnern ohne zentrale Instanz (Ökosysteme). Dies führt zur Frage: Welche Rolle spielen Ökosysteme für mein Unternehmen in der Zukunft? Welche sind relevant für mich? Wo werde ich bedroht, wo ergeben sich Chancen? Diese Fragen haben mit Blockchain an sich zunächst nichts zu tun. 3. Ideen zum richtigen Zeitpunkt filtern Oft stelle ich fest, dass unreife Ideen zu lange mitgeführt werden und es nicht möglich ist, Entscheidungen über ihre Umsetzung zu treffen. Dies ist insbesondere bei neuen Produkten der Fall, aber auch bei zusätzlichen Features oder Services, beispielsweise bei einer App für ein Konsumgut (zum Beispiel Zahnbürste, Kaffeemaschine). Ideen werden zu früh kritisiert oder es werden Grabenkämpfe von Teams in Bezug auf konkurrierende Ideen geführt. Die Liste der Dinge, die in einer Kreativitätsphase falsch gemacht werden können, ist lang. Hier einige Beispiele aus der Praxis, und wie man sie vermeidet: Ideen werden schon während der Entstehung kritisiert. Ich empfehle den Leitspruch: „Kritisiere nie die Idee, sondern nur die Umsetzung“. Es entsteht ein Wettbewerb zwischen Ideen. Erfolgreiche Kreativitätsmethoden achten darauf, dass verschiedene Personen oder gar Gruppen dabei helfen, eine Idee auszugestalten. So gehört die Idee allen und wird von einer breiten Menge unterstützt. Ideen werden nur aus einer Perspektive betrachtet. Entsprechend langweilig sind am Ende die Ergebnisse. Es gilt darauf zu achten, dass möglichst interdisziplinäre Teams mit verschiedensten Blickwinkeln in eine Ideenfindung einsteigen. Immer noch wird häufig sowohl der Nutzen vergessen als auch übersehen, dass es für das betrachtete Problem bereits eine Lösung gibt. Äußerst empfehlenswert ist die NABC (Need – Approach – Benefit – Competition)-Methode, mit der eine Idee bewertet bzw. entwickelt werden kann. Selbst eine komplexe Idee kann mit dieser Methode in eine bis zwei Stunden auf den Punkt gebracht und kritisch hinterfragt werden. Ein willkommener Nebeneffekt ist, dass mit einer NABC-Betrachtung bereits der Pitch für ein Entscheidungsgremium fertiggestellt ist (siehe Abbildung 1). Abbildung 1: NABC Betrachtung 4. Unsicherheit reduzieren: Auf das erste Drittel kommt es an In der Praxis ist häufig zu erleben, dass Investitionsdiskussionen insbesondere vor dem Projektstart und zum Zeitpunkt des Erkennens einer Budgetüberschreitung geführt werden. Was die Investitionsentscheidungen zu Projektstart angeht, herrscht überraschenderweise oft noch die Einstellung, dass ein exakt planbares Ergebnis mit einem festen Budget und Zeitplan erreichbar ist. Nach dem Projektstart treten diese Diskussionen in den Hintergrund – doch das kann sich als entscheidender Fehler herausstellen. Denn viele wichtige Entscheidungen und Fragestellungen kommen erst zum Vorschein, wenn das Projekt bereits läuft und erste Erkenntnisse generiert hat. Das betrifft häufig auch die Verwendung des Budgets. An dieser Stelle hilft der Blick auf den „Cone of Uncertainty“ (siehe Abbildung 2). Die Darstellung zeigt den Verlauf der Unsicherheit während eines (Innovations-)Projekts. Für mich ergeben sich hieraus zwei Empfehlungen: Wer ein Innovationsprojekt vor der Brust hat, sollte ein Verständnis dafür entwickeln, dass vor dem Start eines (Innovations-)Projekts keine verlässlichen Aussagen zu den genauen Investitionen möglich sind. Möglich ist hingegen, einen Budgetrahmen zu definieren, der die Basis für ein Projekt bilden kann. In der Konsequenz muss dann aber der Funktionsumfang variabel bleiben. Wer im ersten Drittel nicht die unbedingt erforderlichen Entscheidungen für die Reduzierung der Unsicherheit trifft, läuft nahezu garantiert in ein Budgetproblem. Dies wird oftmals erst dann erkannt, wenn sich das Budget dem Ende nähert und ein Projektende in weiter Ferne ist. Grundlegende Projektentscheidungen gibt es in allen Bereichen: zum Beispiel in Bezug auf Geschäftsmodelle, Benutzergruppen, Grundlagen des Produktdesigns (betrifft sowohl digitale als auch physische Produkte), Architekturentscheidungen oder das Absichern gegen technische Risiken. Abbildung 2: Cone of Uncertainty 5. Zögerliche Entscheidungen vermeiden Wiederholbar innovativ zu sein, ist das Ergebnis einer Innovationskultur, die ein hohes Maß an Freiheit sowie Verantwortung erfolgreich in eine Balance bringt. Neben Menschen, Arbeitsweisen, Tools, Strukturen und vielem mehr, stehen dabei auch Werte im Vordergrund, die das tägliche Arbeiten leiten sollen. Erstaunlicherweise wird ein Wert erschreckend oft übersehen und nicht gelebt. Innovation erfordert Mut. Zögerliche Entscheidungen, langwierige Abstimmungen in großen Gremien und eine Politik der kleinen Schritte sind Gift für einen eventuellen Wettbewerbsvorsprung. Ich würde daher ein Innovationsvorhaben größerer Dimension mit folgender Schlüsselfrage beginnen: Hat die Organisation, haben alle beteiligten Personen ausreichend Mut, diesen Weg zu gehen? Ein Scheitern auf dem Weg muss verkraftbar sein. Im Beispiel der Vasa hat der Mut gefehlt, einen Fehler einzugestehen. Beim oben geschilderten Systemtest begann das Schiff dramatisch zu schwanken – der Stapellauf hätte so nicht stattfinden dürfen. Dieser Artikel ist zuerst in der Mai-Ausgabe von changement! erschienen, dem Magazin für Veränderungsprozesse. Ansprechpartner für Deutschland Philipp Harrschar Executive Director Business Development Philipp Harrschar ist Executive Director Business Development und Partner der Zühlke Gruppe. Seit 2011 bei Zühlke berät und begleitet er strategische Kunden bei Innovations- & Digitalisierungsvorhaben. Seine Schwerpunkte sind branchenübergreifende Innovationsmuster und der Einsatz von Schlüsseltechnologien. Kontakt philipp.harrschar@zuehlke.com +49 6196 777 54 329 Schreiben Sie uns eine Nachricht You must have JavaScript enabled to use this form. Vorname Nachname E-Mail Telefonnummer Message Absenden Bitte dieses Feld leer lassen Schreiben Sie uns eine Nachricht Vielen Dank für Ihre Nachricht.
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