Digitalisierung und Disruption

«Die vermeintliche Schlüssel-Applikation stellte sich als Bremsklotz heraus»

4 Minuten Lesezeit
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  • Auch die beste Applikation wird zu einem Albtraum, wenn sie nicht regelmässig gepflegt wird -  dieser notwendige Pflegeaufwand wird meist unterschätzt.

  • Eine erfolgreiche Modernisierung startet mit dem Blick auf die Businessanforderungen, welche die Applikation zu erfüllen hat sowie einer Analyse von des Ist-Zustandes der Applikation

  • Ist Ihre Schlüsselapplikation ein USP oder eher ein Bremsklotz? 

Neues zu kreieren ist meist spannender als Bestehendes zu verbessern. Warum es sich für Unternehmen trotzdem lohnt, in die Modernisierung ihrer Softwarelandschaft zu investieren, erklärt Regina Dietiker im Interview.

Weshalb müssen Software-Applikationen von Unternehmen laufend modernisiert werden?
Die Software-Struktur von Unternehmen ist in der Regel historisch gewachsen: Neue Anwendungen und Features werden entwickelt und hinzugefügt. Dabei wird nicht für jedes neue Vorhaben die beste Lösung gewählt, da diese oft mit Mehrkosten verbunden wäre. Oft entscheidet man sich für eine schnellere und im ersten Moment günstigere Lösung. So wird die Architektur stetig komplexer. Bei diesem Prozess geht zumeist auch das «Aufräumen» vergessen; dadurch bauen sich immer mehr technische Schulden auf.
 

Was sind dabei die grössten Herausforderungen?
Die Pflege und die kontinuierliche Modernisierung von Software, also das sogenannte Housekeeping, wird oft unterschätzt und vernachlässigt. Dies erfordert aber eine Reinvestition von gut 20 bis 30 Prozent des Gesamtbudgets. Fälschlicherweise werden diese Kosten häufig als Overhead angeschaut, die man sich auch gerne einspart oder nicht zu Beginn miteinkalkuliert. Hier ist das Management gefordert, dies zu ändern. Denn eine Vernachlässigung der Pflege von bestehender Software kann einem Unternehmen viel Schaden zufügen und im Nachhinein sehr teuer werden.
 

Inwiefern?
Zu einem bestimmten Zeitpunkt wird eine Applikation entwickelt, um ein spezifisches Problem zu lösen. Selbstverständlich verwendet man aktuelle Technologien und arbeitet nach den bekannten Best Practices. Dann vergehen die Jahre, die Software wird basierend auf der bestehenden Architektur, Technologien und bekannten Methoden weiterentwickelt. Parallel dazu verändern sich die Paradigmen; neue Frameworks und Technologien werden zum State-of-the-Art und die Arbeitsweise ändert sich. Eine gute IT-Governance achtet darauf, dass die Systeme betreibbar, wartbar und anpassungsfähig bleiben. Bei einigen Veränderungen geht das relativ einfach, andere sind sehr aufwändig und ein Umbau macht keinen Sinn, sondern eine Ablösung erscheint lukrativ. Eine solche Komplettablösung stellt jedoch ein sehr grosses und teures Projekt mit vielen Risiken dar. Hinzu kommt, dass kurzfristig das Kerngeschäft in erster Linie nicht direkt profitiert, sondern zu Beginn mit Umstellungsproblemen zu kämpfen haben wird.
 

Gibt es Unterschiede zwischen Branchen?
Es gibt sowohl branchenspezifische als auch aufgabenspezifische Unterschiede. Im Bereich der Legacy ist die grösste Herausforderung jedoch immer das Software-Engineering; also die Fähigkeit, auf verschiedenen Abstraktionsstufen die Dinge zu betrachten und in die Business-Logik zu übertragen.
 

Wie wird hier vorgegangen?
Es lohnt sich, auf Feld Eins zurückzukehren und sich zu fragen: Was sind die Kernfunktionen der Software? Welches Ziel soll damit erreicht werden? Eine gründliche Analyse führt schliesslich zu einer fundierten Diagnose: Was wird im konkreten Fall benötigt? Braucht es diese Applikation überhaupt noch? Muss allenfalls etwas dazugekauft werden? Möchte man das bestehende System modernisieren und auf einen wartbaren Stand bringen oder muss etwas Neues her? Danach folgt die Planung und die Projektumsetzung sowie anschliessend die Folgewartung. Wird ein solcher Prozess sauber umgesetzt, fallen die künftigen Kosten deutlich tiefer aus.
 

Wo liegen die Fallstricke?
Oft sind Diskussionen in Unternehmen rund um die eigene Applikationslandschaft innenpolitisch heikel. Dabei divergiert auch manchmal das Fremd- und Selbstbild. Ich kann mich an einen Case aus dem Dienstleistungsbereich erinnern, bei dem sich die vermeintliche Schlüssel-Applikation als Bremsklotz für weitere Innovationen herausgestellt hat. Die Lösung war der Zukauf von Software. Diese Empfehlungen kann natürlich ein externer Partner wie Zühlke viel besser aussprechen.
 

Was sind Erfolgsfaktoren?
Wichtig ist, dass ein grösseres Modernisierungsprojekt gut geführt wird und alle notwendigen Stakeholder regelmässig eingebunden werden. Dazu braucht es fähige Architekten und Entwickler, die sich auf verschiedenen Flughöhen bewegen und jeweils ein passendes Konzept entwickeln können, um den Um- oder Neubau kontrolliert durchzuführen. Ein solches Projekt ist niemals nur technologischer Natur, sondern hat grundsätzlich immer auch Auswirkungen auf der Organisationsebene und führt zu Veränderungen bei Prozessen.
 

Was müssen CEOs und CIOs tun?
Sie sollten eine saubere Analyse durchführen, eine Modernisierungsstrategie erstellen und ein schlagkräftiges Team aus internen und externen Spezialisten zusammenstellen. Entscheidend ist dabei, keine Lösung zu bauen, ohne die Auswirkungen auf die vorhin genannten drei Ebenen – Organisation, Prozesse und Technologie – verstanden zu haben.
 

Ansprechpartner für die Schweiz

Regina Dietiker

Head of DevOps

Regina Dietiker ist Partnerin bei Zühlke und verantwortlich für die DevOps Practice bei Zühlke Schweiz. Sowohl erfolgreiche Kundenprodukte zu erstellen und zu betreuen als auch die Modernisierung von Anwendungen sind ihre Leidenschaft. 

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