9 Minuten Lesezeit Mit Insights von Jens von der Brelie Partner Jens.vonderBrelie@zuehlke.com Die Vorteile: Kann fixem Budget und einer fixen Timeline gerecht werden, Zeit gewinnen und Budget zielgerecht verwenden durch frühes Scheitern, Einbeziehung der End-Kunden und aktueller Marktanforderungen während der Entwicklung, Transparenz für das Produktmanagement und den Vertrieb Die Hürden: Hohe Komplexität, Disziplinen müssen vereint werden, erfordert Anpassung von Strukturen in einer Organisation Wichtige Faktoren: Eine gemeinsame Sprache über alle Disziplinen hinweg, der Systemintegrationsplan, „Continuous System Integration“ und Teams organisiert nach Baugruppen oder Features Das Endergebnis einer agilen Produktentwicklung ist genau das, was der End-Kunde und der Markt nachfragen und nicht nur das, was im ursprünglichen Lastenheft festgelegt wurde. Zühlke setzt vermehrt auf agile Methoden bei der Entwicklung von Konsumgütern. In der Softwareentwicklung gehören diese bereits zum Standard, für die Produktentwicklung halten die agilen Prinzipien aber ebenfalls Vorteile bereit. In diesem Artikel zeigen wir Ihnen den Nutzen einer agilen Produktentwicklung für die Konsumgüterindustrie und geben Ihnen Tipps für die Einführung mit auf den Weg. Der Wasserfall im Vergleich zur agilen Methodik Bislang kommt bei der Produktentwicklung in der Konsumgüterindustrie meistens noch die Wasserfall-Methodik zum Einsatz. Bei einem Wasserfall laufen die einzelnen Prozessschritte auf der obersten Planungsebene nacheinander ab. Nach jedem Schritt werden die Ergebnisse überprüft und abgenommen. Erst wenn alle Details in allen Bereichen geklärt sind, wird der nächste Schritt freigegeben. Die Anforderungen und Ziele werden zu Beginn in Lasten- und Pflichtenheften festgelegt. Das weitere Vorgehen und die anstehenden Arbeiten sind nun bekannt. Alles in allem erreicht die Wasserfallmethode aber nur eine scheinbar hohe Planbarkeit und Kontrolle, da Entwicklungserkenntnisse und Veränderungen im Projektverlauf zu großen Überarbeitungen führen. Die agile Methodik unterscheidet sich grundlegend von der Wasserfall-Methodik. Wählen Sie die agile Methodik, werden zunächst die wichtigsten Risiken adressiert und eine Architektur entwickelt, die den Mindestanforderungen genügt. Anschließend implementiert das Entwicklungsteam diejenigen Features, die den höchsten Nutzen für den Auftraggeber und den Konsumenten haben. Verschiedene Features auf der Detailebene können sich also – anders als beim Wasserfall-Modell – in unterschiedlichen Reifestadien befinden. Die wichtigsten Merkmale der agilen Produktentwicklung sind: eine iterativ-inkrementelle Vorgehensweise in kurzen Entwicklungszyklen, interdisziplinäre Teams und regelmäßiges Feedback zu den Zwischenergebnissen von außen. Die Vorteile der agilen Produktentwicklung auf einen Blick Nachfolgend zeigen wir Ihnen die Hauptvorteile der agilen Produktentwicklung für die Konsumgüterindustrie. Wir beginnen mit der Möglichkeit, auf Impulse zeitnah zu reagieren: Eine schnelle Rückkopplung mit aktuellen Marktanforderungen der Konsumgüterindustrie Ein Verzicht auf aufwendige Spezifikationen zu Beginn (wie in der Wasserfall-Methodik) verkürzt die Time-to-Market und ermöglicht eine schnellere Reaktion auf Impulse aus dem Markt. Agile Methoden erlauben es, mit einem festgelegten Budget in einer festgelegten Zeit ein Produkt zu entwickeln, das für den Auftraggeber und den Konsumenten den höchsten Nutzen hat. Aber noch wichtiger: das Endergebnis ist das, was der End-Kunde und der Markt tatsächlich nachfragen und nicht das, was ursprünglich im Lastenheft stand. Diese Eigenschaften machen agile Methoden sehr interessant für die Konsumgüterindustrie. Denn gerade hier führen die stetig steigenden Ansprüche der End-Kunden zu immer komplexeren Produkten und längeren Entwicklungszyklen. Oft sind zu Beginn des Projekts nicht alle Faktoren bekannt. Die agile Produktentwicklung bleibt flexibel und ist in der Lage, auf neue Anforderungen und Einflüsse von außen einzugehen. Transparenz für das Produktmanagement und den Vertrieb Ein weiterer Vorteil der agilen Produktentwicklung liegt in der höheren Transparenz der Projekte. Das Produktmarketing kann durch kontinuierlich entwickelte Zwischenstände die Entwicklung direkt miterleben und bei Bedarf sehr früh - entsprechend der aktuellen Marktanforderungen - den Kurs korrigieren. Auch dem Vertrieb ist es möglich, die Zwischenstände zu nutzen, um Vertriebspartner vorab zu informieren oder Pilotkunden zu befragen. Diese Herangehensweise ermöglicht eine sehr schnelle Rückkopplung mit dem Markt. Die agile Arbeitsweise stellt sicher, dass Entwicklungs-Budget und -Zeitrahmen optimal und marktgerecht genutzt werden. Produktmanagement, Marketing und Vertrieb - also die Funktionen, die die Schnittstelle zum Markt bilden - werden deutlich besser in das Projekt miteinbezogen. Eine agile interdisziplinäre Arbeitsweise verhindert zusätzlich, dass bei dem Auftraggeber innerhalb einer Disziplin zu lange an einer Lösung gearbeitet wird, die in einer anderen Disziplin unnötige Probleme verursacht und so das Gesamtprojekt zurückwirft. Fixes Budget und festgelegte Timeline Neben der Nähe zum Markt und der zusätzlichen Transparenz bietet die agile Produktentwicklung einen weiteren relevanten Vorteil: Sie ermöglicht, dass wir innerhalb einer festgelegten Zeit mit einem festgesetzten Budget ein optimales Ergebnis erzielen. Dies trifft aus unserer Sicht den Nerv der Zeit und die Bedürfnisse unserer Auftraggeber und deren Kunden in der Konsumgüterindustrie. Ob ein Startup, welches Budgets und Timeline fest mit seinen Investoren vereinbart hat oder ein Konsumgüterunternehmen, das feste Markteinführungstermine und ein fixes Entwicklungsbudget für neue Produkte benötigt: Agile Methoden funktionieren unabhängig von der Firmenstruktur und Firmengröße. Die Tatsache, dass regelmäßig Zwischenergebnisse vorliegen, bietet dem Produkt-Verantwortlichen einen besseren Eindruck davon, was er bekommen wird. Das erleichtert es nicht nur, Fehlentwicklungen zu korrigieren, sondern erlaubt es auch, Impulse aus anderen Abteilungen, wie beispielsweise dem Vertrieb oder von Testkunden, zu berücksichtigen. Lassen Sie uns jetzt über die Einführung und Umsetzung einer agilen Produktentwicklung sprechen. Wir haben die aus unserer Sicht fünf wichtigsten Hilfestellungen nachfolgend für Sie zusammengefasst. Tipps für die Einführung und Umsetzung einer agilen Produktentwicklung Für die Konsumgüterindustrie bietet die agile Produktentwicklung den entscheidenden Vorteil, dass der Nutzer mit einbezogen werden kann. Sie können auf aktuelle Nutzer- bzw. End-Kunden-Trends reagieren, sowie kontinuierlich eigene Marktforschung betreiben. 1. Eine gemeinsame Sprache für alle Gewerke Zühlke hat in den letzten Jahren intensiv daran gearbeitet, agile Arbeitsweisen aus der reinen Softwareentwicklung auf die Entwicklung vernetzter Konsumgüter, die aus Embedded Software, Elektronik, Mechanik und oft auch einer IoT-Lösung bestehen, zu übertragen. Wesentliche Voraussetzung einer effizienten agilen Produktentwicklung ist eine funktionierende Kommunikation über alle Disziplinen hinweg. Dafür müssen sich die Beteiligten auf eine einheitliche Verwendung von Fachbegriffen einigen. Der Begriff Prototyp ist ein gutes Beispiel. Während ein Softwareentwickler einen Prototyp jederzeit wegwerfen würde, da es für ihn ein sehr frühes Muster ist, ist ein Prototyp für einen Mechaniker das Ergebnis einer langen Entwicklung und hat schon seriennahe Qualität. Legen Sie daher ein gemeinsames Glossar an, mit eindeutigen Begriffen wie „Software-Prototyp“ und „Geräte-Prototyp“. Erst eine solche gemeinsame Sprache reduziert Missverständnisse und ermöglicht eine disziplinübergreifende Kommunikation. 2. Systemintegrationsplan Weiterhin haben wir bei Zühlke in Anlehnung an den Release-Plan im Scrum einen Systemintegrationsplan als zentrales Steuerelement der gemeinsamen agilen Produktentwicklung eingeführt. Auf Basis von Systemanforderungen, beispielsweise in Form eines Systembacklogs, definiert das Team die Reihenfolge der Entwicklungsschritte. Im Anschluss wird festgelegt, zu welchen Zeitpunkten, welche Versionen der Elektronik, Mechanik und Software zusammen funktionieren sollen. Auf diese Integrationspunkte muss jede Disziplin hinarbeiten. Natürlich dürfen dabei neben vielem anderem die Infrastruktur-, Test- und Dokumentationsaktivitäten nicht vergessen werden. Hat sich das Team auf einen solchen Systemintegrationsplan eingelassen, ist der Weg zu einer agilen Produktentwicklung gut vorbereitet. 3. Continuous System Integration statt Big Bang Kommen wir jetzt zur Erkennung und dem Handling von Risiken. In agilen Projekten können wir Risiken früh angehen. „Continuous Integration“ ist in der Softwareentwicklung eine bekannte und wichtige Methode, um die Risiken der Integration der Softwaremodule möglichst früh anzugehen und zu beherrschen. In einem Produktentwicklungsprojekt reicht es aber nicht aus, nur die Software intern kontinuierlich zu integrieren und die „fertige“ Software anschließend im Big Bang auf die Hardware und das fertige System zu integrieren. Selbst, wenn alle Disziplinen für sich vorher sauber gearbeitet hätten, kämen viele Details hoch, die zu nicht planbaren Analyse- und Korrekturschleifen führen können. Wir dehnen die Continuous Integration daher auf alle Disziplinen aus. Die Integration der Software erfolgt zunächst auf einem Evaluation-Board und so früh wie möglich auf der projektspezifischen Hardware. Sobald wie möglich erfolgt ebenfalls die Integration der mechatronischen Systeme mit dieser Hardware. So werden die Integrationshürden früh angegangen. Um dabei Testkosten zu sparen, automatisieren wir viele der Integrationsschritte. Nehmen wir zum Beispiel ein Produkt aus dem Bereich des Internet of Things. Hier fließen die Entwicklungsarbeiten für Geräte, eine App und das Backend kontinuierlich zusammen. Auch die sich ständig ändernden Markt- und Nutzeranforderungen gilt es zu beachten. Agile Methoden helfen Ihnen dabei, die einzelnen Komponenten richtig zu integrieren und das komplexe Projekt zu meistern. 4. Zeit gewinnen durch frühes Scheitern Sollte es doch einmal zu einem Scheitern kommen, ist dies nicht schlimm. „Fail fast and fail cheap!“ - je früher Probleme als solche erkannt werden, desto mehr Zeit bleibt, sie anzugehen. Zusätzlich erhalten Sie die Möglichkeit, ein Projekt, das am Markt nicht erfolgreich sein wird, frühzeitig zu beenden und damit Projekt Budgets wirtschaftlich sinnvoll zu verwenden. Dieses agile Prinzip haben wir bei Zühlke in den letzten Jahren durch eine agile Produktentwicklung auf die Entwicklung kompletter Konsumprodukte übertragen. 5. Die richtige Organisation von Teams Als letzten Tipp möchten wir Ihnen mit auf den Weg geben, dass Sie Teams nicht nach Disziplinen, sondern nach Baugruppen oder Features zusammenstellen. Die Grafik zeigt eine interdisziplinäre Teamzusammenstellung aus Maschinenbauingenieuren, Elektroingenieuren und Softwareingenieuren. Während das Produkt den Status eines „Lab Models“, dann „Integration Models“ und schließlich „Close-to-Production Models“ erreicht, werden die Entwicklungsteams immer wieder neu zusammengestellt. Entscheidend ist dabei, welche Expertise in welchem Entwicklungsstadium in welchem Ausmaß benötigt wird. Die Teams sind nicht starr, sondern werden den Gegebenheiten angepasst. So kommen verschiedene Experten je nach den Anforderungen während der Produktentwicklung zusammen. Wenn Sie diese fünf Tipps beherzigen, sind Sie bereits auf einem guten Weg zu einem erfolgreichen agilen Produktentwicklungsprozess. Die Konsumgüterindustrie braucht agile Methoden Agiles und interdisziplinäres Arbeiten hilft nicht nur der Produktentwicklung. Einmal erfolgreich umgesetzt, wirken sich die Projektstrukturen auch positiv auf die Zusammenarbeit und Vernetzung innerhalb eines Unternehmens aus. Die Arbeitsweise ist dabei sowohl für kleine, dynamische Unternehmen, als auch für große Konzerne geeignet. Junge Unternehmen mit Venture-Capital-Finanzierung konnten wir bisher genauso effektiv unterstützen wie große Unternehmen mit fixem Budget und fixer Timeline aus einer internen ROI-Prognose. Der richtige Einsatz agiler Methoden hat entscheidende Auswirkung auf die Einhaltung der Timeline und des Budgets bei maximalem Nutzen. Und, besonders wichtig für die Konsumgüterbranche: das Endergebnis ist später das, was End-Kunden, Nutzer und der Markt wollen. Kontaktieren Sie uns gerne bei Fragen zu diesem Thema. Ansprechpartner für Deutschland Jens von der Brelie Partner Jens von der Brelie verfügt über langjährige Erfahrung in der Produktentwicklung, im Produktmanagement und im Vertrieb in der Industrie. In verschiedenen Verantwortungsbereichen hat er mehr als 30 Jahre Berufserfahrung im Anlagenbau, der Automatisierungstechnik, der Gebäudetechnik und der Konsumgüterindustrie gesammelt. Seit 2011 bei Zühlke, leitet er aktuell die Market Unit Industrial and Consumer Products. Er hat einen Abschluss als Dipl.-Ing. in Elektrotechnik mit Schwerpunkt Datentechnik der Technischen Universität Braunschweig. Kontakt Jens.vonderBrelie@zuehlke.com Schreiben Sie uns eine Nachricht You must have JavaScript enabled to use this form. Vorname Nachname E-Mail Telefonnummer Message Absenden Bitte dieses Feld leer lassen Schreiben Sie uns eine Nachricht Vielen Dank für Ihre Nachricht.